Rz. 18

Neben den gesetzlich geregelten Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durch den Senat[1] hat die Rspr. weitere Ausnahmen entwickelt.

2.2.1 Wechsel der Richterbank

 

Rz. 19

Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist nicht mehr gewährleistet, wenn zwischen der Verhandlung, in der die Beweisaufnahme durchgeführt wird, und derjenigen, mit der das Verfahren abgeschlossen wird, ein Wechsel der Richterbank eintritt, was beim FG wegen der rotierenden ehrenamtlichen Richter die Regel ist.[1] Gleichzustellen ist der Fall der Beweisaufnahme durch den Richter nach § 81 Abs. 2 oder § 79 Abs. 3 FGO. Wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme in die Entscheidung einfließt, wird das Urteil dann nicht mehr von den Richtern gefällt, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung mitgewirkt haben, was gegen § 103 FGO verstoßen könnte.[2] Allerdings hält die Rspr. einen Wechsel der Richterbank nach Vertagung der mündlichen Verhandlung für unschädlich und fordert keine Wiederholung der Beweisaufnahme.[3] Gleiches soll gelten, nachdem eine Beweisaufnahme durch einen Einzelrichter erfolgte und dieser danach ausgeschieden ist.[4] Das Protokoll der Beweisaufnahme, und nur dieses, nicht etwa auch persönliche Eindrücke bezüglich der Glaubwürdigkeit eines Zeugen[5], kann in diesen Fällen nur als Urkundenbeweis verwertet werden. Das Ergebnis einer Vernehmung darf dabei nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich aus der Vernehmungsniederschrift ergibt und die Beteiligten hierzu Stellung nehmen konnten. Eindrücke, die ausschließlich der vernehmende Richter bei der Beweisaufnahme gewonnen, aber nicht in der Niederschrift vermerkt hat, dürfen bei der Entscheidung keine Rolle spielen.[6]

 

Rz. 20

Problematisch erscheint diese Rspr. im Hinblick auf das Unmittelbarkeitsprinzip.[7] Die Praxis wird sich in den meisten Fällen damit behelfen können, dass ein Verzicht der Beteiligten auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme herbeigeführt wird, indem sich diese mit der Verwertung nur der mittelbaren Beweismittel (Verlesung der Vernehmungsprotokolle in der abschließenden mündlichen Verhandlung) einverstanden erklären. Dieser Verzicht sollte protokolliert werden, kann aber auch konkludent erfolgen.[8] Besteht ein Beteiligter auf der Unmittelbarkeit, wäre nach der vorgenannten Rspr. unter den obigen Voraussetzungen die Beweisaufnahme allerdings nicht zu wiederholen.

[1] Vgl. §§ 24, 27 FGO.
[2] S. Erl. zu § 103 FGO Rz. 4ff.
[7] Gegen diese Rspr. wenden sich Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 FGO Rz. 24, und Koch, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 81 FGO Rz. 9; ausdrücklich der Rspr. zustimmend: Stiepel, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 81 FGO Rz. 22ff., und Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 81 FGO Rz. 24.
[8] Koch, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 81 FGO Rz. 10 m. w. N.

2.2.2 Übernahme von Beweisergebnissen anderer Verfahren

 

Rz. 21

Schriftliche Äußerungen eines Zeugen aus einem außergerichtlichen Verfahren dürfen nicht an die Stelle seiner Aussage vor Gericht treten. Sie sind nicht wie Zeugenaussagen zu werten.[1] Allerdings kann das Gericht ausnahmsweise die schriftliche Äußerung eines Zeugen für ausreichend erachten.[2]

 

Rz. 22

In Protokollen enthaltene Zeugenaussagen, die bei einer polizeilichen Vernehmung oder im Verwaltungsverfahren aufgenommen wurden, können mit Einverständnis der Beteiligten als Urkundenbeweis verwertet werden.[3] Da die Beteiligten sowohl auf die unmittelbar in der mündlichen Verhandlung durchzuführende Beweisaufnahme als auch auf das unmittelbare Beweismittel verzichten können, ist gegen die Rspr. nichts einzuwenden.

Die in Behördenakten protokollierten Auskünfte und Wahrnehmungen dürfen im Weg des Urkundenbeweises in den Finanzgerichtsprozess eingeführt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn einer der Beteiligten der Verwertung der darin dokumentierten Feststellungen widerspricht oder substanziierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen geltend macht bzw. wenn sich dem Gericht eine Zeugenvernehmung aufdrängen muss. In diesem Fall hat das FG eine Beweisaufnahme durchzuführen.[4] Widerspricht ein Beteiligter, kommt eine Verwertung der protokollierten Aussage im Weg des Urkundenbeweises in Betracht, wenn der Zeuge nicht erreichbar ist.[5]

Führt das Gericht eine Zeugenvernehmung durch, kann es dem Zeugen bei seiner Vernehmung Vorhaltungen aus Vernehmungsprotokollen machen, die in anderen Akten enthalten sind, und diese bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen berücksichtigen.[6]

 

Rz. 23

Die unmittelbare Verwertung von im Rahmen einer in einem anderen Gerichtsverfahren durchgeführten Beweis...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge