2.1.1 Verzichtserklärung
Rz. 10
Die Verzichtserklärung ist gegenüber dem Gericht abzugeben und wird mit ihrem Zugang bei Gericht wirksam. Wird das Einverständnis in oder nach der mündlichen Verhandlung erklärt, gilt es für den Rest der Instanz. Des Weiteren kann ein Beteiligter gegen einen Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragen und sodann im weiteren Verfahren auf mündliche Verhandlung verzichten.
Rz. 11
Um als Prozesshandlung wirksam zu sein, muss die Einverständniserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos sein. Die Erklärung ist an keine Form oder Frist gebunden. Telefonische Erklärungen, wenn sie nicht vor der Entscheidung schriftlich bestätigt werden, sind jedoch nicht ausreichend, weil sie nicht klar und unmissverständlich den Urheber erkennen lassen. Sofern offenbare, insbesondere auf einem Verschreiben oder sonstigem Versehen beruhende Irrtümer vorliegen, können diese nur dann richtiggestellt werden, wenn sie dem Empfänger der Erklärung bekannt oder erkennbar waren. Ausnahmsweise kann die Prozesserklärung unwirksam sein, wenn sie durch bewusste Täuschung, Drohung, durch eine bewusst falsche Auskunft oder mittels offensichtlich unzutreffender Erwägungen – insbesondere gegenüber rechtsunkundigen Personen – veranlasst worden war.
Rz. 12
Die Verzichtserklärung darf nicht an eine (außerprozessuale echte) Bedingung geknüpft sein. Ein unter dem Vorbehalt des Widerrufs erklärter Verzicht ist wirkungslos. Keine Bedenken bestehen, wenn das Einverständnis gegenständlich beschränkt wird, etwa auf die Frage der Wiedereinsetzung oder auf ein bestimmtes Streitjahr.
Rz. 13
Die Verzichtserklärung ist auslegungsfähig. Dabei ist der BFH bei der Auslegung und Beurteilung nicht an die Feststellungen im angefochtenen FG-Urteil gebunden. Wenn Einverständnis mit einer Entscheidung durch einen Gerichtsbescheid besteht, kann dies nicht als Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ausgelegt werden.
2.1.2 Verzicht durch die Beteiligten
Rz. 14
Wenn alle Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten, kann diese unterbleiben. Hat bei zusammenveranlagten Ehegatten, die gemeinsam gegen einen zusammengefassten ESt-Bescheid Klage erhoben haben, nur einer sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt, darf das Gericht nur über die Klage dieses Ehegatten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden
. Wenn das Gericht entscheidet, obwohl nicht alle Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten, kann das auch von den Beteiligten gerügt werden, die einen Verzicht ausgesprochen hatten. Verfahrensfehlerhaft ist es ferner, wenn das FG nach Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Personen notwendig beilädt und diese nicht auf die mündliche Verhandlung verzichten. Dann muss die bereits geschlossene mündliche Verhandlung von Amts wegen wiedereröffnet werden . Allerdings ist eine Verzichtserklärung des zum Verfahren beigetretenen BMF als Beteiligter nach § 57 Nr. 4 FGO nicht erforderlich, da es nicht gegen den Willen der "Hauptbeteiligten" auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestehen kann.
2.1.3 Mündliche Verhandlung trotz Verzichts
Rz. 15
Ein Verzicht kann vom Gericht oder einzelnen Beteiligten angeregt werden. Er gilt nur für die jeweilige Instanz. Die im ersten Rechtsgang erklärte Verzichtserklärung gilt nicht für das erneute Verfahren vor dem FG nach einer Zurückverweisung fort. An den Verzicht ist das Gericht, auch wenn es ihn selbst angeregt hat, nicht gebunden. Es liegt in seinem Ermessen, ob dann mündlich verhandelt wird oder nicht. Bei aufklärungsbedürftigem Sachverhalt kann sich das Ermessen dahingehend reduzieren, dass trotz Verzichts mündlich verhandelt werden muss. Der Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedeutet zudem nicht, dass das Gericht von der gebotenen Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung absehen kann. Das Gericht hat daher eine mündliche Verhandlung durchzuführen, we...