Rz. 21

§ 162 AO ist sinngemäß anwendbar.

 

Rz. 22

Die Vorschrift verpflichtet das FG, unter den genannten Voraussetzungen selbstständig zu schätzen, wobei es jedoch eine Schätzung des FA als eigene übernehmen kann. In diesen Fällen reicht es, wenn das FG substanziierten Einwendungen nachgeht.[1] Die Schätzung ist Tatsachenermittlung, nicht Rechtsanwendung. Der BFH kann die Schätzung eines FG nur darauf überprüfen, ob sie überhaupt zulässig war und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d. h., ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist,.[2] sofern nicht in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.[3]

 

Rz. 23

Die Besteuerungsgrundlagen sind grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Ergibt sich nach Erschöpfung aller Beweismittel ein "non liquet", ist nach Beweislastregeln zu entscheiden. Hiervon ermöglicht § 162 AO eine Ausnahme nur hinsichtlich numerischer Werte und ähnlicher Verhältnisse. Denn nur solche Umstände, keine reinen Tatsachen, unterliegen der Schätzung nach § 162 AO.[4] Nur die Höhe etwa von Betriebsausgaben oder Einkünften kann geschätzt werden. Ob der Stpfl. überhaupt Betriebsausgaben oder bestimmte Einkünfte hatte, muss von Amts wegen ermittelt und notfalls nach den Regeln der Beweislast entschieden werden.[5] Ausgangspunkt einer Schätzung kann aber auch eine tatsächliche Verständigung zwischen den Beteiligten sein.[6] Das Ergebnis der Schätzung soll unter Würdigung aller bekannten Umstände und Unsicherheitszuschläge den wirklichen Besteuerungsgrundlagen nahe kommen.[7] Dabei gilt nicht der in § 96 Abs. 1 S. 1 FGO vorausgesetzte Überzeugungsgrad, sondern nur der Maßstab der größtmöglichen (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit.[8]

 

Rz. 24

Kommen die Beteiligten bestimmten, in § 162 Abs. 2 AO genannten Mitwirkungspflichten nicht nach, gilt eine weitere Ausnahme, die in der Praxis bedeutsamer als die allgemeine Regelung in § 162 Abs. 1 AO ist. In diesen Fällen hat das Gericht nicht erst nach erfolglosem Ausschöpfen aller Beweismittel die streitigen Beträge o. Ä. zu schätzen, sondern schätzt, wenn andere Erkenntnisquellen nicht präsent sind, sofort ohne eigene weitere Ermittlungen.[9] Die Verletzung der Mitwirkungspflicht führt zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts und zu einer Minderung des Überzeugungsgrades.[10]

 

Rz. 25

§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO verweist auf § 162 AO insgesamt, also auch dem Wortlaut nach auf § 162 Abs. 3 FGO und 4 AO. Dabei enthält § 162 Abs. 3 AO eine echte Beweislastumkehr zulasten des Stpfl. (subjektive Beweislast). Die Sanktion ("Strafsteuer") des § 162 Abs. 4 AO ist im finanzgerichtlichen Verfahren im Rahmen des § 96 Abs. 1 S. 2 FGO zu beachten.[11]

[4] Frotscher, in Schwarz, AO, § 162 Rz. 13.
[7] Vgl. ausführlich Frotscher, in Schwarz, AO, § 162 Rz. 142ff.
[8] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 143.
[11] Vgl. zu § 162 Abs. 3 und 4 AO Frotscher, in Schwarz, AO, § 162 Rz. 56ff.

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