3.1 Allgemeines
Rz. 17
§ 99 Abs. 2 FGO soll zur Verfahrensbeschleunigung dem Gericht die Möglichkeit geben, einzelne entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen vorab zu entscheiden. Eine Beschränkung auf bestimmte Klagearten sieht § 99 Abs. 2 FGO nicht vor. Die Vorschrift stellt insofern einen Systembruch dar, als Zwischenurteile über einzelne tatsächliche oder rechtliche Vorfragen nicht mehr, dem Sinn des finanzgerichtlichen Verfahrens entsprechend, individuellen Rechtsschutz gegen bestimmte Steuerverwaltungsakte gewähren. Sie entsprechen eher Rechtsgutachten, die von dem zwischen den Beteiligten tatsächlich bestehenden Rechtsverhältnis losgelöst sind, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass die Vorfragen entscheidungserheblich sein müssen.
3.2 Voraussetzungen
3.2.1 Entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage
Rz. 18
Sach- oder Rechtsfragen umfassen alle Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Art. Allerdings werden von § 99 Abs. 2 FGO prozessuale Fragen nicht erfasst, da diese über § 97 FGO vorab entschieden werden können. Nach § 99 Abs. 2 FGO kann somit ein Zwischenurteil auch hinsichtlich des tatsächlichen oder rechtlichen Vorliegens einzelner Besteuerungsmerkmale ergehen.
Rz. 19
Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung aus Sicht des entscheidenden Gerichts ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist. Demgemäß sind nur solche Streitfragen entscheidungserheblich und kommt nur dann ein Zwischenurteil zu solchen Vorfragen in Betracht, wenn über die Streitfrage mit Sicherheit auch in einem Endurteil zu entscheiden wäre. Dafür reicht es aus, wenn eine Vorfrage zumindest dann Entscheidungserheblichkeit erlangen kann, wenn eine andere zur Entscheidung gestellte Vorfrage in einem bestimmten Sinn entschieden wird. In einem Zwischenurteil können auch mehrere streitige Vorfragen geklärt werden, wenn nicht schon die Klärung einer Frage voraussichtlich zur Beilegung des Rechtsstreits führen wird. Ist nur eine einzige Frage entscheidungserheblich, muss das Gericht jedoch gleich durch Endurteil entscheiden.
Rz. 20
Entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen können z. B. die Frage der Festsetzungsverjährung betreffen oder die Frage, ob ein Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist. Ist aus Sicht des entscheidenden Gerichts die Frage der Verfassungsmäßigkeit ungeklärt, so ist die Frage, ob eine Vorschrift verfassungsgemäß ist, vorrangig zu entscheiden, so dass in einem solchen Fall, über "einfach-rechtliche" Fragen nicht in einem Zwischenurteil entschieden werden kann.
Rz. 21, 22 einstweilen frei
3.2.2 Sachdienlichkeit des Zwischenurteils
Rz. 23
Sachdienlich ist ein Zwischenurteil insbesondere dann, wenn zu erwarten ist, dass die Beteiligten nach der verbindlichen Klärung der Sach- oder Rechtsfrage den Rechtsstreit im Übrigen rasch beilegen werden. Es kann aber auch andere Gründe für die Sachdienlichkeit geben. Sachdienlich kann es z. B. sein, wenn die entschiedene Rechtsfrage ohne weitere zeitliche Verzögerung durch das BVerfG entschieden werden soll. Ein Zwischenurteil kann zudem sachdienlich sein, wenn dadurch einem Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt wird, entscheidungserhebliche Vorfragen durch ein Revisionsverfahren beim BFH klären zu lassen. Weiterhin kann sich die Sachdienlichkeit aus verfahrensrechtlichen und prozessualen Besonderheiten ergeben. Sachdienlich kann ein Zwischenurteil auch sein, wenn weitere Streitfragen nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Senats fallen können.
Rz. 24 einstweilen frei
3.2.3 Kein Widerspruch des Klägers oder des Beklagten
Rz. 25
Ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO ist nur möglich, wenn der Kläger oder der Beklagte, nicht jedoch ein anderer Beteiligter, nicht widerspricht. Bevor daher ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO ergeht, sind der Kläger und der Beklagte auf ihr Widerspruchsrecht hinzuweisen. Das Gericht hat hierfür die widerspruchsberechtigten Beteiligten über seine Absicht, ein Zwischenurteil zu erlassen, in Kennt...