2.3.5.1 Rechtsschutz bei Untätigkeit der Finanzbehörde
Rz. 16
Die Behörde hat die Pflicht, das Verwaltungsverfahren in Steuersachen (Rz. 10) zügig abzuwickeln. Die Verletzung dieses Beschleunigungsgebots eröffnet dem Stpfl. die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde, um das pflichtwidrige Verhalten der Behörde oder des jeweiligen Amtsträgers zu rügen.
Rz. 16a
Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (Rz. 2) umfasst zudem den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit. Dieser gerichtliche Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren ist abhängig vom Inhalt der begehrten Leistung:
- Soll die Behörde eine sonstige Leistung erbringen, die nicht in dem Erlass eines Verwaltungsakts besteht (§ 40 FGO Rz. 4), oder soll die Behörde eine Feststellung (§ 41 FGO) treffen, so ist unmittelbar die Leistungs- bzw. Feststellungsklage (Rz. 12c, 12d) zulässig, wenn die Behörde aufgrund eines solchen Leistungsbegehrens untätig bleibt (Rz. 14a). Die besonderen Voraussetzungen des § 46 FGO, insbesondere die zeitlichen Einschränkungen, gelten insoweit nicht.
Rz. 16b
Besteht demgegenüber die von der Behörde zu erbringende Leistung in dem Erlass eines Verwaltungsakts, so kann der gerichtliche Rechtsschutz nach der Gesetzessystematik der FGO nur über die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage erreicht werden. Diese setzen voraus, dass die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt erlassen bzw. den Erlass eines Verwaltungsakts durch einen Verwaltungsakt abgelehnt hat (Rz. 12a, 12b; § 40 FGO Rz. 10). Dies würde bedeuten, dass der Stpfl. ohne Rechtsschutz wäre, wenn die Finanzbehörde über einen Antrag, einen Verwaltungsakt zu erlassen, nicht entscheidet. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (Rz. 2) gebietet es, dass Rechtsschutz auch bei Untätigkeit der Finanzbehörde gewährt wird, wenn ein beantragter Verwaltungsakt, der Gegenstand des Einspruchs- und Klageverfahrens werden könnte, nicht erlassen wird. Hier ist jedoch zu unterscheiden:
- Handelt es sich bei Untätigkeit der Finanzbehörde im allgemeinen Verwaltungsverfahren um einen Verwaltungsakt, gegen den im Fall seines Erlasses ein Einspruch gem. § 348 AO nicht statthaft wäre , so kann unmittelbar Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 FGO beim FG erhoben werden.
- Handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den im Fall seines Erlasses ein Einspruch gem. § 347 AO erforderlich wäre (Rz. 13), so kann die Untätigkeit der Finanzbehörde nur mit dem Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO angegriffen werden. Eine unmittelbare Verpflichtungsklage als Untätigkeits-Sprungklage auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts ist im Hinblick auf die Sonderregelung des § 46 FGO nicht zulässig.
Rz. 16c
- Bei Untätigkeit der Finanzbehörde im Einspruchsverfahren nach der Einlegung eines Einspruchs, auch eines Untätigkeitseinspruchs, kann Rechtsschutz nur durch die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erlangt werden. Eine Verpflichtungsklage (Rz. 12b) auf Erlass einer Einspruchsentscheidung ist nicht zulässig.
Rz. 16d
Die Möglichkeit zur Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 46 FGO zusammen mit dem außergerichtlichen Rechtsbehelf des Untätigkeitseinspruchs nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO gewährleistet den umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz bei Untätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren.
2.3.5.2 Rechtsschutz bei Untätigkeit des Gerichts
Rz. 16e
Während die Untätigkeit der Behörde durch den Untätigkeitseinspruch und die Untätigkeitsklage angefochten werden kann (s. Rz. 16c), ist gegen die Untätigkeit des FG und des BFH nach Erhebung der Klage, Einlegung der Revision bzw. Antragstellung oder Beschwerde kein Rechtsmittel gegeben. Die Untätigkeit kann im Weg einer Dienstaufsichtsbeschwerde gerügt werden. Auch das Gericht ist verpflichtet, das Verfahren in angemessener Zeit abzuwickeln, sofern kein rechtlicher Grund für den Stillstand des Verfahrens vorliegt.
Rz. 16f
Gem. § 155 S. 2 FGO i. V. m. § 198ff. GVG wird Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren gewährt. Anspruchsberechtigt sind ein oder ggf. mehrere Verfahrensbeteiligte. Die Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens ist unangemessen, wenn eine Streitsache innerhalb von zwei Jahren nicht in die Phase der Entscheidungsphase eintritt und die Sache in der Folgezeit durch Untätigkeit weiter herausgezögert wird, Der Anspruch auf eine Entschädigung setzt zwingend voraus, dass bei dem Gericht des Ausgangsverfahrens zunächst eine Verzögerungsrüge erhoben wird.
Rz. 16g
Die überlange Verfahrensdauer beim FG ist allein kein Grund für die Zulassung der Revision. Sie kann auch nicht erstmals im Weg der Verfassun...