Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 433
Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn er wirtschaftlich selbstständig ist und als solcher vom Erwerber eigenständig fortgeführt werden kann. Früher ging die Finanzverwaltung davon aus, dass der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet hat, der unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmens nach Art eines selbstständigen Unternehmens betrieben worden ist und nach außen hin ein selbstständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde schon beim Veräußerer gewesen war. Nachdem der BFH es dagegen nicht für notwendig gehalten hat, dass der übertragene Teil schon beim Veräußerer einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet hatte, hat die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung entsprechend angepasst. Entscheidend ist, dass der Leistungsempfänger den übertragenen Teil eigenständig fortführen kann. Damit ist die Frage, ob ein fortführbares Unternehmen übertragen wird, nicht aus der Perspektive des Veräußerers, sondern aus der Sicht des Erwerbers zu beurteilen. Die Finanzverwaltung geht aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass ein Teilbetrieb vorliegt, wenn nach ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten eine Teilbetriebsveräußerung vorliegt, Einschränkungen können sich allerdings bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen ergeben (Rz. 424). Eine Anknüpfung an die Kriterien des Ertragsteuerrechts ist ansonsten vor dem Hintergrund der autonomen Auslegung der unionsrechtlichen Begriffe nicht geboten. Aus einem einheitlichen Unternehmen können auch mehrere Teilvermögen jeweils nicht steuerbar – und gleichzeitig – auf mehrere Erwerber übertragen werden, ohne dass dies für die Nichtsteuerbarkeit im Ergebnis schädlich wäre; dies setzt aber voraus, dass jedes Teilvermögen für sich die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1a UStG erfüllt.
Rz. 434
Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt beim Verkauf einzelner Unternehmensteile durch mehrere Veräußerer an verschiedene Erwerber vor. Für die Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen müssen Leistungen außer Betracht bleiben, die Gegenstand von weiteren, davon zu unterscheidenden, umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen anderen Unternehmern sind. Soweit auf der übertragenden Seite und/oder der empfangenden Seite mehrere rechtlich selbstständige Personen mitwirken müssen, um das fortführbare Unternehmen zu übertragen, kann keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegen, soweit die übertragenen Wirtschaftsgüter aus dem jeweiligen eigenständigen Übertragungsvorgang nicht für sich genommen einen Teilbetrieb begründen.
Rz. 434a
So hatte der BFH in einer Entscheidung festgestellt, dass die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorliegen, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende Teile des Inventars einer Gaststätte (Kücheneinrichtung nebst Geschirr und Küchenartikeln) veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren Vertrag von einem Dritten pachtet. In diesem Fall lag eine Geschäftsveräußerung für den Verkauf der Einrichtungsgegenstände schon alleine deshalb nicht vor, da nur einzelne Wirtschaftsgüter übertragen wurden, die für den Betrieb einer Gastwirtschaft notwendig sind, aber für sich genommen eben keinen fortführbaren Teilbetrieb darstellen. In einer weiteren Entscheidung stellte der BFH dann aber klar, dass die Übertragung des Inventars einer Gaststätte auch dann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung darstellt, wenn der Erwerber mit dem übertragenen Inventar die Gaststätte dauerhaft fortführen kann und selbst über die zur Fortführung der Tätigkeit erforderlichen Geschäftsräume verfügt, weil er diese von dem bisherigen Vermieter des Veräußerers selbst anmietet. Soweit die vom bisherigen Pächter übertragenen Gegenstände als solche ausreichend sind, um einen Gastronomiebetrieb führen zu können, soll dies auch dann ausreichend sein, wenn die für die Führung eines solchen Betriebs notwendigen Räumlichkeiten von einem Dritten angemietet werden müssen.
Rz. 434b
Regelmäßig liegt ein gesondert geführter Betrieb vor, wenn eine organisatorische Trennung der einzelnen Bereiche des Unternehmens gegeben ist, sodass der Erwerber die übernommenen Teile eigenständig fortführen kann. Allerdings steht es einer Geschäftsveräußerung nicht entgegen, wenn der Veräußerer die übertragenen Teile nicht als abgrenzbaren Bereich behandelt hat, da es auf die Sichtweise des Erwerbers ankommt. Auch der Verkauf eines von mehreren vermieteten Grundstücken kann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung sein, wenn der Erwerber in die Mietverträge eintritt. Von der Übertragung eines gesondert geführten Betriebs ist auch dann auszugehen, wenn der Eigentümer eines Grundstücks, das nach dem WEG aufgeteilt ist, nur ein Teileigentum veräußert. Da der Erwerber ohne nennenswerte finanzielle Mittel die unternehmerische Betätigung des V...