Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.2.10.1 Verbrauchsteuern (§ 10 Abs. 1 S. 3 UStG)
Rz. 336
Realisiert ein Unternehmer einen steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb, der auch keiner Steuerbefreiung nach § 4b UStG unterliegt, sind die Verbrauchsteuern, die nicht bereits im Entgelt enthalten sind und die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, zusätzlich zum Entgelt in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, § 10 Abs. 1 S. 3 UStG. Grundlage hierfür sind Art. 83 und Art. 84 MwStSystRL. Die Verbrauchsteuern gehören zu dem, was der Erwerber für den Erwerb insgesamt aufwendet, und sollen daher auch der USt im Bestimmungsland unterworfen werden. Unter diese Regelung fallen alle Verbrauchsteuern, also nicht nur diejenigen, deren Waren in § 1a Abs. 5 UStG aufgeführt sind, also nicht nur für Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren, sondern z. B. auch für Kaffee und Bier. Der EuGH hat sogar die in Portugal erhobene Kfz-Zulassungsteuer hierunter fallen lassen.
Verbrauchsteuer als Bestandteil der Bemessungsgrundlage
Getränkegroßhändler G importiert aus Italien Schaumwein. Gemäß der Rechnung über die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung überweist G an seinen Lieferanten 10.000 EUR. An die zuständige Zollverwaltung zahlt G 680 EUR an Schaumweinsteuer nach § 2 SchaumwZwStG. Die Bemessungsgrundlage für den steuerbaren und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb des G beträgt nach § 10 Abs. 1 S. 2 und S. 3 UStG 10.680 EUR. Bei 19 % Regelsteuersatz entsteht eine Erwerbsteuer von 2.029,20 EUR. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kann G die Erwerbsteuer als Vorsteuer abziehen.
Im Einzelfall kann auch die in einem anderen Mitgliedstaat gezahlte USt mit zu der Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb zählen, wenn z. B. ein inländischer Landwirt Betriebsmittel für seinen Betrieb in einem anderen Mitgliedstaat erwirbt, die dort gezahlte USt sich dort nicht erstatten lässt, sodass die USt zur Bemessungsgrundlage des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu zählen ist. In diesem Fall handelt es sich allerdings nicht um eine direkte Zurechnung nach § 10 Abs. 1 S. 3 UStG, da es sich nicht um eine "vom Erwerber geschuldete Verbrauchsteuer" handelt, sondern ein Bestandteil des direkt an den Veräußerer entrichteten Kaufpreises ist.
2.2.10.2 Auslagerung aus USt-Lager (§ 10 Abs. 1 S. 4 UStG)
Rz. 336a
Durch das StÄndG 2003 ist das sog. Umsatzsteuerlager eingeführt worden. Als Folgeregelung zu § 4 Nr. 4a UStG ist in § 10 Abs. 1 UStG ein neuer S. 4 eingefügt worden. Dieser stellt klar, dass bei einer Auslagerung aus dem USt-Lager nach § 4 Nr. 4a S. 1 Buchst. a S. 2 UStG und dem damit verbundenen Entfallen der Steuerfreiheit die Bemessungsgrundlage sowohl die Kosten für die Leistungen i. S. d. § 4 Nr. 4a S. 1 Buchst. b UStG als auch die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern mit umfasst. Damit wird im Ergebnis eine vollständige Besteuerung der bis zur Auslagerung steuerfrei ausgeführten Leistungen im Inland erreicht.
Rz. 336b
Zu den Begriffen der Auslagerung und des Auslagerers vgl. § 4 Nr. 4a Rz. 123 ff. u. 127 ff. Bei einer Auslagerung entfällt die Steuerbefreiung der der Auslagerung vorangegangenen Lieferung, des der Auslagerung vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerbs oder der ihr vorangegangenen Einfuhr. Steuerschuldner ist der jeweilige Auslagerer. Die Bemessungsgrundlage in den Fällen der Auslagerung bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, sodass sich regelmäßig die Bemessungsgrundlage aus dem an den Auslagerer berechneten Betrag ergibt. Zusätzlich sind dann noch die nach § 4 Nr. 4a S. 1 Buchst. b UStG bisher steuerfrei angefallenen Kosten, die mit der Lagerung, der Erhaltung, der Verbesserung der Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebs oder Weiterverkaufs der eingelagerten Gegenstände unmittelbar zusammenhängen, mit in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn sie nicht schon in der Bemessungsgrundlage für das der Auslagerung unterliegende Entgelt enthalten sind; vgl. dazu § 4 Nr. 4a Rz. 138 mit Beispielen. Ebenso sind die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.