Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.3.1.1 Abgrenzung gegenüber ähnlichen Fällen
Rz. 402
Die Lieferungen – auf jeder Seite können es auch mehrere sein (Rz. 400) – müssen sich beim Tausch als Leistung und Gegenleistung im Rahmen eines Leistungsaustauschs gegenüberstehen. Kein Tausch liegt vor, wenn zwei Personen jeweils wechselseitig an den Erbringer der anderen Lieferung auch eine Lieferung tätigen, ohne dass zwischen den Lieferungen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (sog. Doppelkauf). Deswegen ist kein Tausch gegeben in den Fällen des bloßen Umtauschs aus Gefälligkeit oder wegen Mangelhaftigkeit oder in anderen Fällen der Rückgabe einer Ware bei gleichzeitigem Neukauf einer anderen. Dabei soll bei der Abgrenzung der Rückgabe von einer Rücklieferung (dann liegt ein Leistungsaustausch vor und ein Tausch kann unter den weiteren Voraussetzungen möglich sein) die Sicht des ursprünglichen Lieferungsempfängers und nicht die des ursprünglichen Lieferers maßgebend sein.
Rz. 403
Die sog. Umtauschmüllerei i. S. d. § 3 Abs. 10 UStG ist ebenfalls kein Tausch, sondern eine Werkleistung unter Außerachtlassen der ausgetauschten Gegenstände im Wege der Fiktion. Auch beim sog. Sachdarlehen besteht zwischen der Hingabe der vertretbaren Sache und der Rückgabe einer anderen Sache kein Leistungsaustausch-Verhältnis. Lässt sich z. B. ein Buchhändler von einem Kollegen ein zur Lieferung an einen Kunden eilig benötigtes Buch geben und reicht er ihm einige Tage später ein inzwischen vom Großhandel besorgtes anderes Exemplar zurück, ist mit einem unentgeltlichen Sachdarlehen nur ein nicht steuerbarer Umsatz gegeben.
3.3.1.2 Gegenlieferung als Bemessungsgrundlage
Rz. 404
Als Entgelt und damit Bemessungsgrundlage eines Umsatzes im Rahmen eines Tauschs ist der Wert des anderen Umsatzes, also der anderen Lieferung, anzusetzen. Der Wert ist nicht identisch mit den Aufwendungen des Leistungsempfängers für die Erbringung der Gegenleistung. Er wurde früher nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt, und zwar unabhängig von der Vereinbarung der Parteien oder der von ihnen angenommenen Grundlage. Nach heutiger Auffassung wird der Umsatz durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Hat der Leistungsempfänger konkrete Aufwendungen für die Erbringung seiner Leistung getätigt, ist der gemeine Wert (§ 9 BewG) nicht maßgebend. Hat er keine konkreten Aufwendungen für seine Gegenleistung getätigt, war die Finanzverwaltung bisher davon ausgegangen, dass als Entgelt der gemeine Wert gem. § 9 BewG dieser Gegenleistung anzusetzen sei. Das galt bei einer zusammengesetzten Gegenleistung auch für einen einzelnen Teil, wenn seine gesonderte Behandlung umsatzsteuerlich bedeutsam ist.
Rz. 405
Abweichend von seiner früheren Rechtsprechung ist der BFH der Rechtsprechung des EuGH gefolgt und vertritt nun in richtlinienkonformer Auslegung des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG die Auffassung, dass die Bemessung eines Tauschs durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene Gegenleistung zu erfolgen hat. An die Stelle der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für die Gegenleistung zu erzielenden Leistung ist also der subjektive Wert zu setzen, den die Gegenleistung für ihn hat. Dieser bestimmt sich nach dem Betrag, den er tatsächlich hierfür aufgewendet hat. Hat er keine konkreten Aufwendungen für seine Gegenleistung getätigt, ist das Entgelt für die Leistung gem. § 162 AO zu schätzen.
Außergewöhnliche oder persönliche Verhältnisse und Umstände können u. U. bedeutsam sein. Dennoch kann in Anlehnung an § 9 Abs. 2 BewG der bei einer Veräußerung des Liefergegenstands von dem Lieferer der Gegenlieferung gewöhnlich zu erzielende Preis zu nehmen sein. Ist der Leistungsempfänger der Lieferung und zugleich Leistende der Gegenlieferung ein Hersteller (Erzeuger), ist der Preis die Grundlage, die der Hersteller normalerweise erzielt. Das ist bei seiner Lieferung im Rahmen eines Tauschs mit einem Großhändler der Großhändler-Einkaufspreis, bei Lieferung im Rahmen eines Tauschs mit einem Einzelhändler der Einzelhändler-Einkaufspreis, das ist der Großhändler-Verkaufspreis. Wird die Gegenleistung nicht erbracht, schlecht erbracht und in ähnlichen Fällen, ist nach Unionsrecht den Mitgliedstaaten grundsätzlich freigestellt, ob sie nach ihrem Recht eine Minderung der Bemessungsgrundlage annehmen wollen oder nicht. Das Unionsrecht wollte aber keinesfalls, dass der Wert der Gegenleistung bei der Bemessung der Leistung entfällt.
Rz. 406
Nach § 10 Abs. 2 S. 3 UStG gehört die USt nicht zum Entgelt. Sie ist also bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Lieferung aus dem Preis der Gegenlieferung herauszurechnen. Ist allerdings der Leistende kein Unternehmer oder ein Kl...