Rz. 10
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG beruht auf Art. 98 i. V. m. Anhang III Nr. 7 MwStSystRL. Danach ist i. V. m. Art. 98 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes durch die Mitgliedstaaten zulässig für die "Eintrittsberechtigung für … Kinos". Hinsichtlich der Filmvorführungen macht der deutsche Gesetzgeber nur selektiv von Anhang III Nr. 7 MwStSystRL Gebrauch. Die EU-Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, für sämtliche Leistungen einer Kategorie oder eines Begriffs des Anhangs III MwStSystRL denselben Steuersatz anzuwenden. Der nationale Gesetzgeber darf von der Möglichkeit, auf Waren und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, einen selektiven Gebrauch machen, soweit er dabei nicht gegen den Grundsatz der Neutralität verstößt. Damit lässt sich auch rechtfertigen, dass für Filmvorführungen mit Filmen pornografischen Inhalts die Steuerermäßigung nicht in Betracht kommt.
Rz. 11
Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung sind die unionsrechtlichen Regelungen zur Anwendung ermäßigter Steuersätze eng auszulegen. Daraus folgt nach dem EuGH-Urteil v. 18.3.2010 insbesondere, dass die Wendung "Eintrittsberechtigung für Kinos" in Anhang III Nr. 7 MwStSystRL nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist. Die in Anhang III Nr. 7 MwStSystRL genannten Ereignisse und Einrichtungen haben gemeinsam, dass sie der Öffentlichkeit aufgrund vorhergehender Bezahlung eine Eintrittsberechtigung gewähren, die alle zahlenden Personen berechtigt, gemeinsam die diesen Ereignissen und Einrichtungen eigenen kulturellen Leistungen wie auch die ihnen eigene Unterhaltung in Anspruch zu nehmen. Daraus folgert der EuGH, dass die Wendung "Eintrittsberechtigung für Kinos" nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie die Zahlung eines Verbrauchers zu dem Zweck umfasst, allein in einer zur alleinigen Nutzung stehenden Video-Kabine in einer Erotikeinrichtung einen oder mehrere Filme oder Filmausschnitte betrachten zu können. Offenbar war für den EuGH entscheidend, dass in der Konstellation des Ausgangsverfahrens der Raum nicht der Öffentlichkeit oder zumindest nicht mehreren Personen gleichzeitig zugänglich war.
Zu der Frage, ob die Steuerbefreiung für kulturelle Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie (jetzt: Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL) auch auf die Gewährung von Zutritt zu Filmvorführungen anwendbar ist, hat der EuGH entschieden, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie nicht klar regelt, welche kulturellen Dienstleistungen die Mitgliedstaaten zu befreien haben. Die Vorschrift enthalte weder eine abschließende Liste der zu befreienden kulturellen Dienstleistungen, noch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle kulturellen Dienstleistungen zu befreien, sondern beziehe sich nur auf "bestimmte" dieser Dienstleistungen. Somit überlässt es diese Vorschrift den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welche kulturellen Dienstleistungen befreit sind. Die Befreiungsvorschrift eröffnet, da sie nicht hinreichend konkret ist, somit auch kein unmittelbares Berufungsrecht. Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte kulturelle Einrichtungen, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, können sich bei fehlender Umsetzung nicht unmittelbar auf die Vorschrift berufen. Das EuGH-Urteil ist auch für das deutsche Recht von Bedeutung, weil es grundsätzlich um den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL ging bzw. um den Umfang eines etwaigen Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten. Filmvorführungsleistungen unterliegen in Deutschland keiner Steuerbefreiung, sondern sind unter den Voraussetzungen von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG steuerermäßigt. Nach dem Urteil ist festzustellen, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie (und auch Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL) durch die Bezugnahme auf "bestimmte kulturelle Dienstleistungen" nicht verlangt, dass alle kulturellen Dienstleistungen befreit werden, sodass die Mitgliedstaaten "bestimmte" unter ihnen befreien können, während sie andere als steuerpflichtig behandeln dürfen. Nach alledem ist die Steuerpflicht der Filmvorführungsleistungen in Deutschland unionsrechtskonform.