Rz. 37

Die Preisgestaltung ist grundsätzlich Sache des Unternehmers. Der Gesetzgeber kann durch die Einführung neuer Steuerermäßigungen zwar auf Preissenkungen zugunsten der Endverbraucher hoffen. Staatliche Stellen können Unternehmer jedoch nicht zwingen, Steuerermäßigungen an ihre Kunden weiterzugeben. Dies wurde zuletzt bei der Einführung des ermäßigten Steuersatzes für Beherbergungsumsätze (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) zum 1.1.2010 deutlich, als kaum ein Hotel die Endpreise für Hotelübernachtungen senkte.

Durch die befristete Absenkung der USt-Sätze erwartete der Gesetzgeber im zweiten Halbjahr 2020 eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur. Dementsprechend intendierte die Absenkung der USt-Sätze, dem Konsum einen kräftigen Impuls zu geben (Rz. 30). Voraussetzung hierfür war jedoch die Weitergabe der Steuersatzsenkungen an die Kunden. Bei der vollen Weitergabe an den Kunden wäre es ab 1.7.2020 bei Warenlieferungen und Dienstleistungen zum allgemeinen Steuersatz zu einer Preissenkung von ca. 2,52 %, bei Warenlieferungen und Dienstleistungen zum ermäßigten Steuersatz zu einer Preissenkung von ca. 1,87 % gekommen.

 
Praxis-Beispiel

Bei einem Radio- und Fernsehhändler betrug der Preis für ein Fernsehgerät bis zum 30.6.2020 1.190 EUR (1.000 EUR netto zuzüglich 190 EUR USt). Bei voller Weitergabe der Absenkung des allgemeinen Steuersatzes würde der Preis für dieses Fernsehgerät vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 1.160 EUR betragen (1.000 EUR netto zuzüglich 160 EUR USt). Dies entspricht einer Senkung des bisherigen Preises um 2,52 %.

Eine Gärtnerei verkaufte hochwertige Pflanzen, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 6-9 der Anlage 2 des UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG Rz. 226ff.). Bis zum 30.6.2020 betrug der Preis für die Pflanzen 1.070 EUR (1.000 EUR netto zuzüglich 70 EUR USt). Bei voller Weitergabe der Absenkung des ermäßigten Steuersatzes würde der Preis für diese Pflanzen vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 1.050 EUR betragen (1.000 EUR netto zuzüglich 50 EUR USt). Dies entspricht einer Senkung des bisherigen Preises um 1,87 %.

Zahlreiche Unternehmer haben die Weitergabe der Senkung der USt-Sätze an ihre Kunden im Vorfeld angekündigt und ab dem Stichtag 1.7.2020 auch tatsächlich vorgenommen. Es ist jedoch offensichtlich nicht in allen Branchen bzw. nicht beim gesamten Warensortiment zu Preissenkungen gekommen. Nach einer ersten Untersuchung im Auftrag des ZDF[1] hat der stationäre Einzelhandel (Supermärkte, Discounter, Baumärkte, Fachgeschäfte) die Senkung der USt-Sätze mehrheitlich an die Kunden weitergegeben, der Online-Handel dagegen mehrheitlich nicht. Im Übrigen war nicht auszuschließen, dass die Unternehmer ihre Preise kurz vor dem Stichtag 1.7.2020 noch erhöht hatten, um sie dann abzusenken. Oft war es für die Verbraucher kaum nachvollziehbar, ob der Leistungserbringer seine Preise tatsächlich gesenkt hatte oder nicht, z. B. bei dauernd wechselnden Sonderangeboten bzw. Rabattaktionen oder bei Tankstellen, wo der Preis für Treibstoffe oft mehrmals täglich wechselt.

 

Rz. 38

Wenn die Unternehmer die Senkung der Steuersätze nicht an ihre Kunden weitergeben, ihre bisherigen Preise also beibehalten, erzielen sie höhere Entgelte (Nettobetriebseinnahmen). Von einer Warenlieferung oder Dienstleistung bleibt mehr "in ihrer Tasche". In diesem Fall erzielen sie höhere Entgelte von 2,59 % (bei Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz) bzw. von 1,9 % (bei Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz).

 
Praxis-Beispiel

Bei einem Radio- und Fernsehhändler betrug der Preis für ein Fernsehgerät bis zum 30.6.2020 1.190 EUR (1.000 EUR netto zuzüglich 190 EUR USt). Trotz der Absenkung des allgemeinen USt-Satzes von 19 % auf 16 % behält er diesen Preis ab dem 1.7.2020 bei. Dadurch beträgt bei einem Verkauf des Fernsehgeräts ab dem 1.7.2020 der Nettoerlös 1.025,86 EUR (Entgelt 1.025,86 EUR zuzüglich 16 % USt 164,14 EUR = 1.190,00 EUR) statt bisher 1.000 EUR. Der Radio- und Fernsehhändler "verdient" an dem Fernsehgerät 25,86 EUR mehr. Dies entspricht einer Entgeltsteigerung von 2,59 %.

Die Pflanzen aus dem Beispiel in Rz. 37 verkauft die Gärtnerei auch ab dem 1.7.2020 unverändert für 1.070 EUR. Dadurch beträgt der Nettoerlös beim Verkauf der Pflanzen ab dem 1.7.2020 1.019,05 EUR (Entgelt 1.019,05 EUR zuzüglich 5 % USt 50,95 EUR = 1.070,00 EUR) statt bisher 1.000 EUR. Die Gärtnerei "verdient" an den Pflanzen 19,05 EUR mehr. Dies entspricht einer Entgeltsteigerung von ca. 1,9 %.

 

Rz. 39

Ob Kunden im Einzelfall ein Recht auf Preissenkung haben oder nicht, ist eine Frage des Zivilrechts, deren Beantwortung von den Formulierungen in den Angeboten, Vereinbarungen, Verträgen, Bestellungen, Auftragsvergaben bzw. von den AGB des Leistungserbringers abhängt. Als Faustregel kann gelten, dass bei der Vereinbarung von Bruttoendpreisen (Preise, die die USt einschließen) der Kunde kein Recht auf Preissenkung hat.

 

Rz. 40

Bei Verträgen, die mindestens vier Monate vor der Steuersatzänderung, also vor dem 1.3.2020, geschl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge