4.1 Berechtigung zur Ausstellung einer Rechnung (§ 14 Abs. 2 S. 1 UStG n. F.)
Rz. 32
Jeder leistende Unternehmer ist umsatzsteuerlich gem. § 14 Abs. 2 S. 1 UStG n. F. (bis 31.12.2024: § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 UStG) berechtigt, für die von ihm ausgeführten Lieferungen oder sonstigen Leistungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG Rechnungen zu erteilen. Eine generelle Verpflichtung des leistenden Unternehmers, für seine Ausgangsumsätze Rechnungen zu erteilen, kennt das UStG ausschließlich in den gesetzlich seit dem 1.1.2025 in § 14 Abs. 2 S. 2 UStG (zuvor unstrukturiert in § 14 Abs. 2 UStG) definierten Fällen.
Rz. 33
Allerdings darf nur über entgeltliche Umsätze Rechnungen erteilt werden. Für die den entgeltlichen Lieferungen oder sonstigen Leistungen gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgaben i. S. d. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG dürfen hingegen Rechnungen mit offenem Steuerausweis nicht erteilt werden. Dies mag zwar selbstverständlich erscheinen, weil typischerweise nur über einen Leistungsaustausch, d. h. über Leistung und Gegenleistung, abgerechnet wird. Insoweit kann es bei unentgeltlichen Wertabgaben in der Unternehmerkette aber zu unsystematischen Belastungen kommen, wenn unentgeltliche Wertabgaben für unternehmerische Zwecke des Leistungsempfängers erfolgen. Mithin wird in der gut beratenen Praxis durch Vereinbarung eines geringen Entgelts diese Problematik zu vermeiden. Wegen der dann anzuwendenden sog. Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG darf eine Rechnung gem. § 14 Abs. 4 S. 2 UStG zur Gewährleistung der Neutralität dieser Transaktion im Mehrwertsteuersystem erteilt werden. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Art. 220 Abs. 1 MwStSystRL dem Verbot der Rechnungserteilung über unentgeltliche Wertabgaben entgegensteht. Ebenso fraglich ist allerdings, ob die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen noch als – steuerbare – unentgeltliche Zuwendung i. S. d. Art. 16 MwStSystRL eingeordnet werden dürfte, wenn ein Steuerpflichtiger diesen Gegenstand aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt.
4.2 Zivilrechtlicher Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung
Rz. 34
Allerdings besteht unabhängig von den umsatzsteuerlichen Regelungen regelmäßig ein zivilrechtlicher Anspruch des Leistungsempfängers gegen den leistenden Unternehmer auf Erteilung einer Rechnung; deren Durchsetzung vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist und der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB) unterliegt. Dabei haben die Zivilgerichte auch umsatzsteuerrechtliche Vorfragen abschließend zu beantworten, wenn deren Beurteilung keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur begegnen.
Rz. 35
Umstritten ist, in welcher Höhe der Leistungsempfänger ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB hinsichtlich seiner Gegenleistung hat, wenn der Rechnungserteilungsanspruch nicht korrekt erfüllt wird. Während vielfach angenommen wird, das Zurückbehaltungsrecht müsse im Hinblick auf den ohne korrekte Rechnung nicht möglichen Vorsteuerabzug jedenfalls die im Preis enthaltene Umsatzsteuer umfassen, möchten Hüttemann/Jacobs im Interesse der ausgeprägten Druckfunktion des Zurückbehaltungsrechts dieses auf den gesamten Betrag der Gegenleistung beziehen. Das erscheint unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, der auch Bestandteil der Treu- und Glaubensregelung gem. § 242 BGB ist, nicht wirklich überzeugend. Das AG Essen hat beispielsweise mit der Festlegung des Zurückbehaltungsrechts auf den halben Rechnungsbetrag ein angemessenes Druckmittel statuiert.
4.3 Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung
4.3.1 Pflicht zur Rechnungsausstellung (§ 14 Abs. 2 S. 2 UStG n. F.)
Rz. 36
Nach der Neustrukturierung der Vorschrift des § 14 Abs. 2 UStG mWv 1.1.2025 ist jeder Unternehmer gem. § 14 Abs. 2 S. 2 UStG – wie auch schon zuvor nach § 14 Abs. 2 S. 1 UStG – zur Ausstellung einer Rechnung innerhalb von 6 Monaten nach Ausführung der Leistung verpflichtet, wenn der Umsatz steuerbar und nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerfrei ist:
- für eine Leistung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen (§ 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UStG),
- für eine Leistung an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist (§ 14 Ab. 2 S. 2 Nr. 2 UStG),
- für eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 S. 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück an einen anderen als in den vorgenannten Nummern genannten Empfänger (§ 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UStG).
Wird das Entgelt vor Leistungsausführung vereinnahmt, ist die Rechnung in sinngemäßer Anwendung des § 14 Abs. 5 UStG innerhalb von 6 Monaten nach der Vereinnahmung auszustellen (Abschn. 14.1 Abs. 3 S. 2 UStAE).
Rz. 37
Hiervon abweichend ist in den Fällen der...