Rz. 25

Das in der 1. und 6. EG-Richtlinie vorgesehene Ziel des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sieht die Besteuerung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der Besteuerung der gelieferten Gegenstände im Ursprungsmitgliedstaat vor, ohne dass dadurch der Grundsatz angetastet wird, dass die Einnahmen aus der USt auf der Stufe des Endverbrauchs dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt. Mit der Schaffung des Binnenmarkts ist es jedoch nicht gelungen, den von deutscher Seite unterstützten Vorschlag der EU-Kommission durchzusetzen, der ursprünglich den vollkommenen Wegfall des Bestimmungslandprinzips vorgesehen hatte. Dieses Prinzip ist im innergemeinschaftlichen kommerziellen Warenverkehr für die USt (ebenso wie für die Sonderverbrauchsteuern) beibehalten worden. Lediglich beim innergemeinschaftlichen Erwerb durch Privatpersonen z. B. im nicht kommerziellen Reiseverkehr, erfolgt seit dem 1.1.1993 – bis auf bestimmte Ausnahmen[1] – kein Steuerausgleich mehr (Rz. 100).

 

Rz. 26

Mit dem Erlass der sog. Binnenmarkt-Richtlinie 91/680/EWG v. 16.12.1991 hatte der Rat der EU dem Umstand Rechnung getragen, dass für eine begrenzte Übergangszeit ein umsatzsteuerlicher Ausgleich im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ohne Steuergrenzen und Zollkontrollen durch Steuerbefreiung der Lieferung und Besteuerung des Erwerbs erfolgt. Diese Art der Umsatzbesteuerung erfordert ein Kontrollsystem und besondere Regelungen, die die Erhebung der USt sichern und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten verhindern. Gleichzeitig sollen die Vorschriften den bevorstehenden Wechsel auf das endgültige System der Binnenmarktbesteuerung vorbereiten und erleichtern.

 

Rz. 27

Zur Vermeidung von Steuerausfällen in den Mitgliedstaaten hatte der Rat der EU die VO Nr. 218/92, abgelöst durch die VO Nr. 1798/2003 v. 7.10.2003[2] über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung erlassen. Sie sieht die Errichtung eines gemeinsamen Systems des Informationsaustauschs zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für den innergemeinschaftlichen Handel vor. Die Verordnung legt im Einzelnen fest, wie und in welchem Umfang die von den Unternehmern gemeldeten Informationen den Steuerverwaltungen der anderen Mitgliedstaaten mitgeteilt werden. Zuständig für die Aufbereitung der Daten ist das BzSt, das sie den anderen Mitgliedstaaten auf Anfrage oder unmittelbar zur Verfügung stellt.[3]

 

Rz. 27a

VO Nr. 904/2010 dient auch dazu, Kompetenzkonflikte zu vermeiden, die sowohl zu einer Doppelbesteuerung als auch zu einer Nichtbesteuerung von Einnahmen führen können.[4] Dieses gemeinsame System der Zusammenarbeit ermöglicht die Stellung eines Ersuchens an die Steuerbehörden eines anderen Mitgliedstaats, um die richtige Festsetzung der USt sicherzustellen.[5] Die VO Nr. 904/2010 regelt nicht die Zuständigkeit für die Einstufung der Umsätze betr. die MwStSysRL, begründet weder die Verpflichtung der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit, um zu einer gemeinsamen Lösung für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung eines Umsatzes zu gelangen, noch ein Erfordernis, wonach die Steuerbehörden an die Einstufung dieses Umsatzes durch die Steuerbehörden eines anderen Mitgliedstaats gebunden wäre.[6] Den Steuerbehörden eines Mitgliedstaats ist nicht zu verwehren, Umsätze einseitig einer anderen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung zu unterwerfen als derjenigen, nach der sie bereits in einem anderen Mitgliedstaat besteuert wurden.[7] Bei unterschiedlichen Beurteilungen sind die Gerichte berechtigt und verpflichtet, den EuGH anzurufen.[8]

 

Rz. 28

Insbesondere wegen der unterschiedlichen Umsetzung der Binnenmarktrichtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten wurde es erforderlich, noch vor ihrem Inkrafttreten die sog. Erste Vereinfachungs-Richtlinie 92/111/EWG zu erlassen, um die Modalitäten der Besteuerung klarzustellen, zu präzisieren und zu definieren sowie die Verfahren zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Von Bedeutung für den innergemeinschaftlichen Erwerb ist die Vereinfachungsregelung für Reihengeschäfte, den sog. Dreiecksgeschäften, bei denen drei Unternehmer aus verschiedenen Mitgliedstaaten Umsatzgeschäfte über denselben Liefergegenstand abschließen (Rz. 200ff., 219ff.). Mit der Zweiten Vereinfachungs-Richtlinie 95/7/EG [9] wurden insbesondere Vorschriften über die Einfuhr (Einbeziehung der Kosten für bestimmte selbstständige Nebenleistungen bis zum ersten Bestimmungsort, Neuregelung des Drittlandsreiseverkehrs), die Gleichstellung von inländischen und innergemeinschaftlichen Güterbeförderungen sowie eine Steuerlagerregelung erlassen. Durch den Wegfall der Erwerbsbesteuerung funktionsändernder Werkleistungen wurde die unterschiedliche Behandlung von Lohnveredelungen aller Art in der Union beseitigt (Rz. 192).

 

Rz. 29

Aus Gründen der "Klarheit und Wirtschaftlichkeit" wurde die 6. EG-Richtlinie durch die Rich...

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