Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 153
Die Grundsätze über die Führung der Geschäfte bei einer Personengesellschaft sind auf die Geschäftsführungstätigkeit einer natürlichen Person bei einer Kapitalgesellschaft nicht in vollem Umfang übertragbar. Erbringt eine natürliche Person als Gesellschafter Geschäftsführungs- oder Vertretungsleistungen an eine Kapitalgesellschaft, liegt im Regelfall eine selbstständige Tätigkeit nicht vor, da hier eine weisungsgebundene Eingliederung gegeben ist. Da die Selbstständigkeit natürlicher Personen im Umsatzsteuer- und Ertragsteuerrecht nach denselben Grundsätzen beurteilt wird, kann – zumindest in den Fällen, in denen der Gesellschafter Einkünfte nach § 19 EStG aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt – eine Unternehmereigenschaft des Gesellschafters aus dieser Tätigkeit heraus nicht zu begründen sein und damit kein steuerbarer Umsatz vorliegen. Dies ist im Regelfall gegeben, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Der BFH hatte 2005 festgestellt, dass die Führung der Geschäfte einer Kapitalgesellschaft nicht alleine deshalb eine nichtselbstständige Tätigkeit darstellen muss, bloß weil der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft tätig wird. Dabei muss grundsätzlich die Frage der Selbstständigkeit im Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht nach denselben Grundsätzen beurteilt werden, eine Bindung an ein ertragsteuerrechtliches Ergebnis kann sich für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung aber nicht ergeben. Danach kann eine Geschäftsführungstätigkeit bei einer Kapitalgesellschaft zwar grundsätzlich als selbstständige Tätigkeit ausgeführt werden, soweit aber der Geschäftsführer kein Unternehmerrisiko bei der Ausführung der Tätigkeit trägt, wird eine selbstständige Tätigkeit nicht gegeben sein. Dabei müssen alle für und gegen eine Selbstständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall auch unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abgewogen werden. Der BFH hat in seinem Urteil klargestellt, dass die Frage, ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, nicht vom Umfang der Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis abhängt. Abzustellen ist grundsätzlich bei der Beurteilung der Tätigkeit des Geschäftsführers auf die Umstände des Einzelfalls und damit auf die allgemeinen Abgrenzungskriterien des § 2 UStG. Die FinVerw hat sich dem grundsätzlich angeschlossen und zur Abgrenzung – wie bisher – auf die in H 19.0 LStH aufgeführten Beurteilungskriterien verwiesen. Wird aber eine Vergütung für eine nichtselbstständige Tätigkeit lediglich ertragsteuerrechtlich in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert (z. B. bei einem von einer GmbH & Co. KG angestellten Geschäftsführer, der gleichzeitig Kommanditist der GmbH & Co. KG ist), führt dies nicht dazu, dass diese Vergütung auch umsatzsteuerrechtlich als eine selbstständige Tätigkeit zu qualifizieren ist.
Rz. 154
Das Urteil des BFH v. 10.3.2005 hat dem Geschäftsführer einer GmbH oder dem Vorstand einer AG auf den ersten Blick ein Wahlrecht eingeräumt: In Abhängigkeit der Ausgestaltung seines Vertrags mit der Kapitalgesellschaft kann die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung gesteuert werden. Wird das Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft so gestaltet, dass es dem Bild eines weisungsgebundenen, eingegliederten Angestellten entspricht, wird der Geschäftsführer nicht selbstständig tätig und damit erlangt er keine Unternehmereigenschaft. Ist hingegen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse davon auszugehen, dass der Geschäftsführer nicht weisungsgebunden ist, erbringt er gegenüber der Kapitalgesellschaft mit seiner Geschäftsführung als Unternehmer steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen; dies wird aber in der Praxis kaum realisierbar sein.
Rz. 155
Im Regelfall wird deshalb weiterhin der Geschäftsführer als nichtselbstständig Tätiger anzusehen sein. Der BFH hatte in seinem Urteil insbesondere betont, dass ein vertraglich vereinbarter Urlaubsanspruch, die Teilnahme an sonstigen Sozialleistungen sowie die Fortzahlung einer Vergütung im Krankheitsfall Indizien für ein Angestelltenverhältnis sein können. Ebenso ist die Vereinbarung eines Festgehalts ein Hinweis auf eine nichtselbstständige Tätigkeit. Diese Vereinbarungen dürften in der Mehrzahl der Anstellungsverträge für Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften vorhanden sein. Nur wenn zwischen dem Geschäftsführer und der von ihm vertretenen Gesellschaft ein Vertrag abgeschlossen wird, in dem für Ausfallzeiten (Krankheit, Urlaub) keine Vergütung gezahlt wird und auch keine weiteren Merkmale für ein Anstellungsverhältnis sprechen, kann ggf. unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls von einer selbstständigen Geschäftsführungstätigkeit ausgegangen werden.
Rz. 156
Diese Grundsätze werden auch von der Rechtsprechung des EuGH getragen, der entschieden hatte, dass eine natürliche Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrags mit einer steuerpflichtigen Gesellsc...