Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 214
Als Organgesellschaft kann nach der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG nur eine juristische Person des Zivil- und Handelsrechts infrage kommen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können wegen der notwendigen Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht in ein anderes Unternehmen eingegliedert werden. Körperschaften des öffentlichen Rechts erfüllen die ihnen übertragenen Aufgaben kraft ihrer Rechtsstellung stets selbstständig. Damit kommen als Organgesellschaften hauptsächlich die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG) infrage. Grundsätzlich kann aber auch eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), eine Genossenschaft oder ein eingetragener Verein (z. B. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) als Organgesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein. Nach den Feststellungen des EuGH sind aber grundsätzlich auch Personengesellschaften als unselbstständige Teile in einen Organkreis eingliederungsfähig, nach der bisher nur einschränkenden Umsetzung durch den BFH und nachfolgend der FinVerw kann dies aber nur in Ausnahmefällen zur Eingliederung einer Personengesellschaft führen (Rz. 182a ff. sowie Rz. 230a ff.).
Rz. 215
Ein Organschaftsverhältnis kann auch schon vor Eintragung einer Kapitalgesellschaft in das Handelsregister begründet werden, wenn die Eingliederungsvoraussetzungen zu der sog. Vorgesellschaft (Gründungsgesellschaft) vorliegen. Eine Eingliederung der Vorgründungsgesellschaft (bis zum Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags) kann allerdings regelmäßig nicht vorliegen, da die Vorgründungsgesellschaft als Personengesellschaft gilt und als solche nur unter einschränkenden Voraussetzungen in ein anderes Unternehmen eingegliedert werden kann. Eine Organschaft mit einer Vorgründungsgesellschaft war bisher aus diesem Grund grundsätzlich nicht möglich.
Soweit die Voraussetzungen für die Eingliederung der Vorgründungsgesellschaft – als Personengesellschaft – nach den vom BFH und von der FinVerw insbesondere für die finanzielle Eingliederung (vgl. Rz. 230a ff.) vorgegebenen Voraussetzungen vorliegen sollten, müsste auch eine Vorgründungsgesellschaft organschaftlich in den Organträger eingliederungsfähig sein.
Rz. 216
Zum Zeitpunkt der Eingliederung einer Auffanggesellschaft in das Unternehmen des Organträgers im Rahmen einer "übertragenden Sanierung" hat der BFH entschieden, dass eine Gesellschaft (Auffanggesellschaft) umsatzsteuerrechtlich bereits zu einem Zeitpunkt in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, zu dem sie selbst noch keine Umsätze ausführt. In diesem Fall steht der Auffanggesellschaft kein Vorsteuerabzug aus der Übertragung von Gegenständen des Betriebsvermögens des Organträgers auf sie zu.
Organschaft bei einer Auffanggesellschaft
Die in Zahlungsschwierigkeiten steckende A-GmbH erwirbt alle Anteile einer sog. Vorratsgesellschaft (V-GmbH) und schließt mit dieser einen Vertrag über die teilweise Übertragung der Geschäftstätigkeit und entsprechenden Betriebsvermögens. Auf Seiten der A-GmbH und der V-GmbH sind dieselben Geschäftsführer an dem Vertrag beteiligt. Zum 30.5. werden die vertraglich vereinbarten Teile des Betriebsvermögens von der A-GmbH auf die V-GmbH übertragen. Am 1.6. beantragt die A-GmbH beim zuständigen Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aus einer per 30.5. ausgestellten Rechnung über die Übertragung der Teile des Betriebsvermögens hat die V-GmbH keinen Vorsteuerabzug, da nach den Grundsätzen des BFH – zumindest bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens – ein Organschaftsverhältnis anzunehmen ist. Unerheblich ist dabei, dass die V-GmbH vor der Übertragung noch keine entgeltlichen Umsätze ausgeführt hatte. Wegen des Innenumsatzes kann grundsätzlich keine USt entstanden sein und somit auch keine Anspruchsgrundlage für eine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegen. Diese Betrachtung geht auch der Prüfung einer ansonsten eventuell vorliegenden nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vor.