Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 117
Die Gestattung zur Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten ist Voraussetzung für die Entstehung der USt nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG. Die USt entsteht danach mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Einen Einfluss auf die Höhe der entstehenden USt hat die Art der Berechnung der USt nicht.
Rz. 118
Die Höhe der entstehenden USt ist endgültig nur davon abhängig, was der leistende Unternehmer für die von ihm ausgeführte Leistung tatsächlich erhält oder erhalten soll (§ 10 Abs. 1 S. 2 UStG). Hat der Unternehmer die USt nach vereinbarten Entgelten zu berechnen, erhält aber von seinem Vertragspartner in einem folgenden Voranmeldungszeitraum tatsächlich weniger, als ursprünglich von ihm der Besteuerung unterworfen wurde, ergibt sich für ihn eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG – es erfolgt eine nachträgliche Anpassung an das tatsächlich Erhaltene. Im Ergebnis ist damit eine USt in gleicher Höhe entstanden, als auch bei der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten, bei der die USt erst dann und insoweit entsteht, wie der leistende Unternehmer die Zahlung erhält.
Beispiel: Keine Unterschiede in der Höhe der Umsatzsteuer
Unternehmer U berechnet die USt nach vereinbarten Entgelten. Bei Ausführung der Leistung im März geht U davon aus, dass sein Kunde 100.000 EUR zuzüglich 19.000 EUR USt aufwenden wird. U hat für den Voranmeldungszeitraum März 19.000 EUR anzumelden. Im Mai einigt sich U mit seinem Kunden nach Reklamationen auf eine Zahlung von 80.000 EUR zuzüglich 15.200 EUR USt, die auch zeitnah erfolgt. Für U ergibt sich eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG um ./. 20.000 EUR und eine Minderung der USt um ./. 3.800 EUR, die nach § 17 Abs. 1 S. 8 UStG im Voranmeldungszeitraum Mai anzumelden ist. Im Ergebnis entrichtet U 15.200 EUR an USt.
Würde U die USt nach vereinnahmten Entgelten berechnen, hätte er für den Voranmeldungszeitraum Mai 15.200 EUR anmelden müssen.
Rz. 119
Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten entsteht die USt nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG, wenn der Unternehmer die Gegenleistung vereinnahmt hat. Eine Vereinnahmung liegt vor, wenn dem Unternehmer die Gegenleistung (Geld oder eine andere Art von Gegenleistung, z. B. bei einem Tausch oder einem tauschähnlichen Umsatz) zugeflossen ist, sodass er wirtschaftlich darüber verfügen kann, vgl. dazu ausführlich die Kommentierung zu § 13 UStG. Ausdrücklich klargestellt wurde durch den BFH, dass bei einer Überweisung auf ein Bankkonto der Tag der tatsächlichen Gutschrift für die Vereinnahmung maßgeblich ist und nicht das Datum der Wertstellung (Valuta). Der Entstehungszeitpunkt der USt nach § 13 UStG hat entscheidenden Einfluss darauf, wann der Unternehmer den Umsatz und die entstehende USt seinem FA gegenüber anzumelden hat und eine Steuerzahlung erfolgen muss.
Rz. 120
Die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten bezieht sich nur auf die Ausgangsumsätze des Unternehmers, für die der leistende Unternehmer die USt schuldet. Außerdem muss es sich um entgeltliche Ausgangsleistungen handeln. Keinen Einfluss hat die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten auf die folgenden Vorgänge, da in diesen Fällen Sonderregelungen für die Steuerentstehung vorliegen:
- Ausführung unentgeltlicher Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b oder § 3 Abs. 9a UStG. In diesen Fällen entsteht die USt immer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 UStG).
- Der Unternehmer hat in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt USt nach § 14c Abs. 2 UStG ausgewiesen und schuldet diese USt auch. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG unabhängig von dem Zahlungsfluss immer mit Ausgabe der Rechnung.
- Der Unternehmer führt einen Umsatz aus, für den der Leistungsempfänger die USt nach § 13b UStG ("Reverse-Charge-Verfahren") schuldet.
- Die USt wird für die drittlandsgrenzüberschreitende Beförderung von Personen im Rahmen der Beförderungseinzelbesteuerung nach § 16 Abs. 5 UStG erhoben.
Rz. 121
Eine Besonderheit bestand bei der Steuerentstehung im Zusammenhang mit einem unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14c Abs. 1 UStG bis 5.11.2015. § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG a. F. verwies für die Entstehung der USt in den Fällen des unrichtigen Steuerausweises auf die Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sodass bei einem unrichtigen Steuerausweis die zu hoch ausgewiesene USt ebenfalls mit Zahlungszufluss entstand, wenn dem Unternehmer die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten gestattet wurde; spätestens jedoch mit Ausgabe der Rechnung. Seit dem 6.11.2015 entsteht die USt bei unrichtigem wie unberechtigtem Steuerausweis unabhängig des regulären Besteuerungsverfahrens für ausgeführte Leistungen, wenn die Rechnung ausgegeben wird. Probleme ergeben sich für den der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten unterliegenden Unternehmer dann, wenn Rechnungsausstellung und Zahlungsvereinnahmung in u...