Rz. 39
Kenntnis des Unternehmers bedeutet sein positives Kennen der für die Haftung nach § 25d Abs. 1 S. 1 UStG erforderlichen Umstände. Für die Annahme einer Kenntnis muss der haftende Unternehmer also die Rechnungsausstellung mit USt-Ausweis, den unbedingten Vorsatz des Rechnungsausstellers zur Nichtentrichtung der Steuer bzw. dessen mindestens bedingten Vorsatz bezüglich des Außerstandesetzens gekannt haben. Die Formulierung in der Vorschrift mit „davon Kenntnis” ist zwar unscharf und lässt nicht eindeutig erkennen, ob sich die Kenntnis nur auf die vorsätzliche Nichtentrichtung oder auch auf den Steuerausweis in der Rechnung beziehen soll. M. E. ist die letztere Auslegung zu bevorzugen, da eine Haftung nur bei einer umfassenden Kenntnis bzw. einem Kennenmüssen der anderen Haftungsvoraussetzungen zu rechtfertigen ist. Sonst könnte die zufällige Kenntniserlangung eines Unternehmers aus den Medien von der vorsätzlichen Nichtentrichtung von USt z. B. im Rahmen eines Insolvenzbetrugs zu einer Haftung führen – ein völlig inakzeptables Ergebnis.
Rz. 39a
In diesem Sinne hat auch der BFH im Urteil v. 10.8.2017 entschieden. Danach muss das "Kennenmüssen" sich im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs auf Anhaltspunkte beziehen, die für den Unternehmer den Schluss nahelegen, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht an sein Finanzamt abzuführen.
Rz. 40
Da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über den Eingangsumsatz die USt häufig weder entstanden noch fällig ist, ist auch die Nichtentrichtung noch kein Faktum. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Unternehmers sich nicht auf die Nichtentrichtung beziehen könne. § 25d Abs. 1 S. 1 UStG kann nach seinem Wortlaut und muss nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung so ausgelegt werden, dass sich die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen nicht auf die Tatsache des Nichtentrichtens der Steuer, sondern auf die vorgefasste Absicht bzw. das Außerstandesetzen für eine spätere Zahlung bezieht .
Rz. 41
Beim Vorhandensein einer Leistungskette müssen alle in der Kette befindlichen Unternehmer die Kenntnis bzw. die vorzuwerfende Unkenntnis von der vorgefassten Absicht oder dem vorsätzlichen Außerstandesetzen gehabt haben. Diese umfassende Kenntnis wird regelmäßig nur in den Fällen der Karussellgeschäfte vorhanden sein, sodass tatsächlich die Anwendung der Haftungsvorschrift auf solche Fälle beschränkt bleibt. Es dürfte für die Finanzverwaltung, auch nach Einfügung des § 25d Abs. 2 UStG mit den dort aufgeführten Indizien schwierig sein, bezüglich des Kennens gerichtsverwertbare Nachweise zu führen. Nach Einfügung des Kennenmüssens und der Indizien nach § 25d Abs. 2 UStG wird der Nachweis für diese Alternative leichter fallen.