Rz. 216
Im Rahmen der Konkurrenzen oder anders ausgedrückt, bei dem Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen ist festzustellen, welche Vorschriften zur Anwendung kommen, wenn ein Täter mit einer oder mehreren Taten zugleich mehrere Gesetzesverstöße (Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten) begeht. Die entscheidende Vorfrage ist dabei immer, ob der Verstoß gegen mehrere Gesetze durch eine einheitliche Handlung oder durch mehrere Handlungen verwirklicht wurde. Im ersten Fall spricht man von einer Tateinheit, im zweiten Fall von einer Tatmehrheit. Gesetzlich normiert ist dies im Ordnungswidrigkeitenrecht in den §§ 19, 20 OWiG, die hier über § 377 Abs. 2 AO Anwendung finden. Die gesetzliche Terminologie ist dabei den strafrechtlichen Begriffen der §§ 52, 53 StGB angepasst.
Rz. 217
Verwirklicht ein Täter mit einer Handlung zugleich einen der Tatbestände des § 26a UStG und eine Steuerstraftat (Tateinheit), dann wird der Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG verdrängt, eine Bestrafung kann nur wegen der Straftat vorgenommen werden (Vorrang des Strafgesetzes). Eine Handlung ist tateinheitlich Straftat und Ordnungswidrigkeit, wenn sie im natürlichen Sinne zugleich einen Bußgeldtatbestand und einen Straftatbestand verletzt oder wenn im Rahmen einer natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit auch ein Straftatbestand verletzt wird. Werden die Ermittlungen wegen der Straftat allerdings eingestellt – dies grundsätzlich unabhängig von den Gründen –, dann können die Ermittlungen wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 26a UStG – im Rahmen des Opportunitätsgrundsatzes – gem. § 21 Abs. 2 OWiG wieder aufgenommen werden. Eine Ausnahme gilt hier nur im Fall einer Einstellung nach § 153 a StPO, denn hier wird eine Art Sachentscheidung mit strafrechtlicher Sanktion getroffen.
Rz. 218
Verwirklicht ein Täter durch eine Handlung (Tateinheit) eine Ordnungswidrigkeit nach § 26a UStG und zugleich eine andere Steuerordnungswidrigkeit, dann wird nach § 19 Abs. 1 OWiG nur eine Geldbuße festgesetzt. Diese Geldbuße bemisst sich dabei gem. § 19 Abs. 2 OWiG nach der Vorschrift, welche die höchste Geldbuße vorsieht. Hat ein Täter also z. B. neben der fehlenden Ausstellung einer Rechnung zugleich fahrlässig Steuern nach § 378 AO hinterzogen, so ist der Bußgeldrahmen dem § 378 Abs. 2 AO zu entnehmen, weil diese Vorschrift die Verhängung eines Bußgelds bis zu 50.000 EUR zulässt, § 26a Abs. 2 UStG aber nur bis zu 5.000 EUR und § 26a Abs. 1 UStG nur bis zu 30.000 EUR.
Rz. 219
Verwirklicht ein Täter durch mehrere Handlungen (Tatmehrheit) mehrere Ordnungswidrigkeitentatbestände, dann kann gem. § 20 OWiG für jeden Verstoß eine eigene Geldbuße festgesetzt werden. Stellt also z. B. ein Steuerpflichtiger für eine von ihm ausgeführte Leistung an einen Leistungsempfänger in einem anderem Mitgliedstaat keine Rechnung aus und erfasst er diesen Umsatz dann später in seiner ZM nicht, dann hat er die Tatbestände der § 26 Abs. 2 Nr. 1 und der Nr. 5 UStG in Tatmehrheit verwirklicht; er kann hier im Rahmen der Anwendung des Opportunitätsgrundsatzes zweimal mit einer Geldbuße belegt werden. Wiederholt er diese Taten, dann vervielfältigt sich damit auch die Anzahl der sanktionsfähigen Ordnungswidrigkeiten.