Rz. 37
Die Existenz eines potenziellen Wettbewerbs mit privaten Unternehmern allein reicht für die Steuerbarkeit der entgeltlichen Betätigung der jPöR nicht aus. Hinzukommen muss nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG eine Verzerrung dieses Wettbewerbs durch die Behandlung der öffentlichen Einrichtung als Nichtsteuerpflichtige. Von einer besteuerungsbedingten Wettbewerbsverzerrung dürfte allgemein auszugehen sein, wenn einer von mehreren Wettbewerbern aufgrund der für ihn geltenden Besteuerungsregeln gegenüber den anderen Marktteilnehmern einen Vorteil erlangt und dadurch niedrigere Preise anbieten kann. Nach Maßgabe der zu Art. 13 MwStSystRL und § 2 Abs. 3 UStG ergangenen Rechtsprechung ist es allerdings zur Feststellung einer umsatzsteuerlich relevanten Wettbewerbsverzerrung durch die Behandlung als Nichtunternehmer nicht erforderlich, dass die Verfälschung des Wettbewerbs zulasten des privaten Konkurrenten stattfindet. Eine Besteuerung kann danach auch geboten sein, wenn die Nichtbesteuerung der jPöR zu ihrem eigenen Nachteil ist, weil sie vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Denn dies kann wiederum Rückwirkungen in der Kette der Lieferungen und Leistungen zum Nachteil von privaten Unternehmern haben. Folglich können auch aus einer Nichtbesteuerung folgende größere Wettbewerbsnachteile zulasten der jPöR eine Besteuerung erforderlich machen. Die Wettbewerbsverzerrungen zu eigenen Lasten der jPöR können von betroffenen Dritten ebenso geltend gemacht werden, wie durch die jPöR selbst.
Rz. 38
Eine Definition dazu, wann eine Wettbewerbsverzerrung größer ist, enthalten weder das Gesetz selbst noch dessen Begründung. Der Gesetzgeber verzichtet vielmehr auf die Festlegung positiver Wettbewerbsverzerrungsmerkmale und regelt stattdessen in den Abs. 2 und 3 Ausschlusstatbestände, wann von einer größeren Wettbewerbsverzerrung insbesondere nicht auszugehen ist. Dies ist nach der zu § 2 Abs. 3 UStG und Art. 13 MwStSystRL ergangenen Rechtsprechung grundsätzlich folgerichtig. Denn auch danach wird in erster Linie negativ abgegrenzt und eine größere Wettbewerbsverzerrung dann verneint, wenn die Behandlung öffentlicher Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige lediglich zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Es handelt sich dabei um eine sehr niedrige Schwelle, die nicht erst überschritten ist, wenn die Wettbewerbsverzerrung erheblich oder außergewöhnlich ist. Der Grund dafür ist, dass die Privilegierung der öffentlichen Hand gegenüber privaten Steuerrechtssubjekten nur geringstmögliche Beeinträchtigung der steuerlichen Neutralität auslösen soll (Rz. 5).
Rz. 39
Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen einer größeren Wettbewerbsverzerrung sind jedoch relativ ungenau. Insbesondere die Frage, wann und nach welcher Marktbetrachtung vom Vorliegen eines Wettbewerbs auszugehen ist (Rz. 32 ff.), beinhaltet einen erheblichen Beurteilungsspielraum, der eine rechtssichere steuerliche Subsumtion erschwert. Vor allem die kommunalen Spitzenverbände hatten im Zuge der Konzeption der Neuregelung zum einen rechtssichere und zum anderen insbesondere im Bereich der kommunalen Beistandsleistungen eine die Steuerbarkeit möglichst zurückdrängende gesetzliche Abgrenzungskriterien gefordert. Dem ist der Gesetzgeber durch die in § 2b UStG enthaltenen gesetzlichen Typisierungen zwar nicht ganz, aber z. T. gefolgt. Systematisch geht dabei Abs. 4 als gesetzliche Anordnung der Unternehmereigenschaft den Abs. 1 bis 3 vor. Innerhalb der Abs. 1 bis 3 hat Abs. 3 als lex specialis für Leistungen zwischen jPöR Vorrang vor Abs. 2, der allgemeine Wettbewerbsausnahmen regelt. Abs. 1 ist subsidiärer Auffangtatbestand. Die in Abs. 2 und 3 aufgeführten Tatbestände sind nach der Fassung, die das Gesetz durch den deutschen Bundestag erhalten hat, nicht abschließend. Eine abschließende Aufzählung wäre auch nicht mit Unionsrecht vereinbar, welches in Art. 13 MwStSystRL eine vergleichbare Konkretisierung von Negativfällen nicht enthält. Eine Präzisierung auf nationaler Ebene, wann von größeren Wettbewerbsverzerrungen auszugehen ist, ist allerdings zulässig, sofern diese Regelung von den nationalen Gerichten überprüft werden kann. Dies ist bei den Regelungen des § 2b Abs. 2 bis 4 UStG der Fall. Sie sind insofern unionsrechtlich gedeckt.