Rz. 51
§ 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG hat im Gegensatz zur eher klarstellenden Funktion des § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG echten Regelungscharakter. Die Vorschrift ist speziell auf die interkommunale Zusammenarbeit zugeschnitten und schafft im Ergebnis ein Privileg für die Erbringung von Beistandsleistungen, die die in der Vorschrift genannten Bedingungen erfüllen. Diese Kriterien sind an das EU-Vergaberecht angelehnt, insbesondere an Art. 12 Abs. 4 EU-Vergaberichtlinie, der die entgeltliche Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung durch eine jPöR an eine andere jPöR von der Ausschreibungspflicht ausnimmt, wenn – vereinfacht zusammengefasst – die Zusammenarbeit der Sicherstellung gemeinsamer Ziele dient, ausschließlich durch öffentliche Interessen bestimmt ist und die Beteiligten auf dem offenen Markt weniger als 20 % der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten erbringen. Art. 12 der Vergaberichtlinie findet sich nahezu wortgetreu in § 108 GWB wieder. Der hinter dem vergaberechtlichen Ansatz des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG stehende Gedanke ist offensichtlich, dass die Wettbewerbsprüfung im Rahmen der Umsatzbesteuerung jPöR ähnlichen Wertungen unterliegt, wie die Prüfung, ob ein öffentlicher Auftrag in einem förmlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden muss, und sich daher aus der vergaberechtlichen Dogmatik für die USt Anhaltspunkte dafür, wann es an einer realen Gefahr größerer Wettbewerbsverzerrungen fehlt, gewinnen lassen. Ob diese Herleitung trägt, ist allerdings unsicher, nachdem der EuGH zumindest die Übernahme des Begriffs "öffentliche Einrichtung" aus dem Vergaberecht zwischenzeitlich abgelehnt hat (Rz. 59).
2.3.4.2.1 Spezifisches öffentliches Interesse
Rz. 52
Nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG liegen bei Leistungen einer jPöR an eine andere jPöR größere Wettbewerbsverzerrungen dann nicht vor, wenn die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Das Kriterium des spezifischen öffentlichen Interesses erinnert an die Regelungen für interkommunale Kooperationen nach Art. 12 Abs. 4 Buchst. b der Vergaberichtlinie, wonach die Durchführung der Zusammenarbeit ausschließlich durch öffentliches Interesse bestimmt sein muss. Was umsatzsteuerlich unter gemeinsamen spezifisch öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wird durch § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 UStG dahingehend konkretisiert, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn die Zusammenarbeit die dort in den Buchstaben a bis d genannten Kriterien kumulativ erfüllt.
Rz. 53
Nach Buchstabe a muss es sich zunächst um eine langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung handeln. Zum Merkmal der Langfristigkeit lässt sich weder dem Gesetz noch der Begründung etwas entnehmen. Erhöhte Anforderungen sind dabei aber m. E. nicht zu stellen. Dauerhaftigkeit ist jedenfalls nicht Voraussetzung. Das Merkmal dürfte im Wesentlichen zur Abgrenzung von entgeltlichen punktuellen Einzelmaßnahmen dienen. Das BMF geht bei Vereinbarungen ab einer Zeitdauer von fünf Jahren regelmäßig und bei unbestimmter Dauer stets von Langfristigkeit aus. Im Falle einer kurzfristigen Vereinbarung ist allerdings ergänzend zu prüfen, ob nicht möglicherweise nur gelegentliche und damit ohnehin nichtsteuerbare Amtshilfe vorliegt. Vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Ansatzes der Regelung ist es m. E. zutreffend, die Langfristigkeit hilfsweise auch unter Rückgriff auf das Vergaberecht zu beurteilen. Art. 12 Abs. 4 Buchst. a der Vergaberichtlinie setzt voraus, dass der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern zur Sicherstellung von ihnen zu erbringender Dienstleistungen zum gemeinsamen Ziel hat. Eine Sicherstellung gemeinsamer Ziele durch Zusammenarbeit ist in aller Regel auf Langfristigkeit angelegt.
Rz. 54
Dass die getroffene Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur sein muss, ist vor dem Hintergrund, dass § 2b UStG für Leistungen in privatrechtlicher Handlungsform bereits dem Grunde nach nicht anwendbar ist, eigentlich nicht mehr gesondert regelungsbedürftig. Die gesonderte Hervorhebung des öffentlich-rechtlichen Charakters der Vereinbarung stellt lediglich klar, dass es nicht ausreichend wäre, wenn die Vereinbarung lediglich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben diente. Zusätzliche spezifische Anforderungen an die Rechtsnatur der Vereinbarung, wie sie in landesrechtlichen Zusammenarbeitsgesetzen geregelt sein können, sind mit dem Merkmal nicht verbunden. Umgekehrt dürften Vereinbarungen, die den Zusammenarbeitsgesetzen entsprechen, die Voraussetzungen des § 2b Abs. 2 Buchst a UStG jedenfalls erfüllen.
Subordinationsrechtliche Verträge sind ebenfalls nicht ausgeschlossen, da eine gleichberechtigte Aufgabenwahrnehmung im Gesetz nicht gefordert wird.
Rz. 55
Das in Buchstabe b genannte Kriterium, wonach die Leistung dem Erhalt der öffen...