1 Regelungsinhalt
Rz. 1
§ 3 Abs. 5 UStG behandelt Liefergeschäfte, bei denen sich die Lieferung von vornherein nicht auf sämtliche Bestandteile des hingegebenen Gegenstands erstrecken soll, die Hingabe des ganzen Gegenstands aber physisch unvermeidbar ist. Der Abnehmer (Käufer) wünscht nicht, sämtliche Bestandteile des ihm übergebenen Gegenstands zu erwerben; sein Kaufinteresse beschränkt sich auf die Hauptbestandteile des Gegenstands. An den Nebenerzeugnissen und Abfällen ist er nicht interessiert. Der Lieferer (Verkäufer) will von vornherein einen bestimmten Teil des Gegenstands – nämlich die bei seiner Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse und Abfälle – zurückerhalten und bleibt i. d. R. auch deren Eigentümer. Beide Beteiligte sind sich darüber einig, dass ein bestimmter Bestandteil vom Leistungsaustausch ausgeschlossen bleiben soll.
Wirtschaftliches Ziel des Vorgangs ist nicht die Verschaffung der Verfügungsmacht über den gesamten Gegenstand in seiner körperlichen Gestalt, sondern nur über einen darin enthaltenen, erst herauszuarbeitenden substanziellen Gehalt oder Gehaltsteil. Gegenstand der Lieferung ist deshalb nicht der gesamte übergebene Gegenstand, sondern nur dessen vom Abnehmer erworbene Gehalt, auf den sich die Eigentumsentäußerung des Lieferers bezieht. Vor diesem Hintergrund regelt § 3 Abs. 5 UStG, dass nur eine Warenlieferung hinsichtlich des Gehalts und nicht zwei Warenlieferungen hinsichtlich des gesamten Gegenstands einschließlich des Gehalts und eine weitere (Rück-)Lieferung des Gegenstands ohne Gehalt vorliegen. Damit werden durch § 3 Abs. 5 UStG dem Zweck der Umsatzsteuer nicht entsprechende Umsatzkumulierungen in den betroffenen Fällen vermieden und auf eine Lieferung des Gehalts beschränkt.
2 Entstehungsgeschichte
Rz. 2
Die Vorschrift und die ihr vorangehenden Regelungen in § 5 Abs. 1 UStDB 1934, § 6 UStDB 1938, § 6 UStDB 1951 sowie in § 3 Abs. 5 UStG 1967/73/80 beruhen auf der Rechtsprechung des RFH.
Inhaltlich verstößt die Norm nicht gegen Grundprinzipien des Umsatzsteuerrechts, denn der Lieferer verschafft bei der Gehaltslieferung dem Abnehmer die Verfügungsmacht nicht an dem gesamten ihm übergebenen Gegenstand, sondern nur an denjenigen Bestandteilen, die nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten dem Abnehmer verbleiben sollen (Gehalt). Der Lieferungswille erstreckt sich nicht auf die bei der Be- oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse und Abfälle, die der Lieferer zurückhaben will. Der Abnehmer erwirbt – ggf. im Gegensatz zum zivilrechtlichen Eigentum – das wirtschaftliche Eigentum nur am Hauptstoff.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 5 UStG hat deshalb nur rechtserläuternden Charakter. Auch ohne § 3 Abs. 5 UStG würde sich in den betroffenen Fällen eine Lieferung nur hinsichtlich des Gehalts ergeben.
Rz. 2a
Die Regelung des § 3 Abs. 5 UStG hat keine unmittelbare Vorlage im Unionsrecht. Weder die am 1.1.2007 in Kraft getretene Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie noch die bis zum 31.12.2006 geltende 6. EG-Richtlinie enthalten vergleichbare Regelungen. Nach Ansicht des BFH ist zur Definition der "Lieferung eines Gegenstands" auf Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL zurückzugreifen, wonach es auf die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, ankommt. Um festzustellen, ob ein Umsatz als Lieferung oder sonstige Leistung zu beurteilen ist, muss nach Ansicht des BFH im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Wesen des Vorgangs ermittelt werden. Dabei ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach dem wirtschaftlichen Zweck – und mithin nicht zwingend die zivilrechtliche Sicht – maßgebend. Vor diesem Hintergrund stellt die Sonderregelung des § 3 Abs. 5 UStG nach der hier vertretenen Ansicht eine unionsrechtskonforme Klarstellung des Umfangs bestimmter Lieferungstatbestände dar, die aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als Gehaltslieferungen zu beurteilen sind.
Rz. 3 einstweilen frei
3 Anwendungsbereich
Rz. 4
Die Vorschrift von § 3 Abs. 5 UStG spielt vor allem in der Landwirtschaft und ihren angrenzenden Geschäftsfeldern eine Rolle. Insbesondere bei Landwirten kann je nach der Höhe des geltenden Steuersatzes eine Fallgestaltung nach § 3 Abs. 5 UStG für den Unternehmer teils günstiger, teils ungünstiger ausfallen als eine Fallgestaltung, die auf eine Lieferung d...