Rz. 14
Bei Werklieferungen im Baugewerbe (z. B. bei der Erstellung eines Gebäudes auf dem Grundstück des Auftraggebers) wird es sich im Allgemeinen um nicht bewegte Lieferungen handeln, deren Ort nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG zu bestimmen ist. Insoweit ist entscheidend, ob der fertigerstellte Liefergegenstand selbst (also z. B. das Gebäude) befördert oder versendet wird. Die Beförderung des Baumaterials zur Baustelle ist unbeachtlich, da die Materialtransporte ausgeführt werden, bevor der Liefergegenstand erstellt ist.
Rz. 15
Für die Bestimmung von Lieferort und -zeitpunkt ist bei Werklieferungen maßgebend, wann der Unternehmer dem Auftraggeber Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft hat. Zur Ermittlung dieses Zeitpunkts kann auf die Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zurückgegriffen werden. Danach kann Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft werden durch:
- förmliche Abnahme,
- schriftliche Mitteilung über die Fertigstellung des Werks, wobei die Abnahme mit Ablauf von 12 Werktagen nach dieser Mitteilung als erfolgt gilt,
- Beginn der bestimmungsgemäßen Nutzung, wobei die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Nutzung als erfolgt gilt, z. B. nach Bezug eines Hauses, oder
- durch konkludentes Handeln (z. B. vorbehaltlose Schlusszahlung durch den Auftraggeber), wodurch gleichfalls eine wirtschaftliche Abnahme gegeben ist.
Rz. 16
Die unter a) bis c) genannte Abnahme betrifft das der Lieferung zugrunde liegende Schuldverhältnis; diese Abnahme ist keine Voraussetzung für die umsatzsteuerliche Annahme der Ausführung der Werklieferung. Die umsatzsteuerliche Werklieferung ist ausgeführt, sobald die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt ist; dabei ist zu beachten, dass diese kein rechtlicher, sondern ein tatsächlicher Vorgang ist. Das gilt auch dann, wenn die förmliche Abnahme vertraglich vereinbart und eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ausdrücklich ausgeschlossen ist.. Verweigert der Abnehmer die förmliche Abnahme des Liefergegenstands, nachdem die Verfügungsmacht bereits auf ihn übergegangen ist, so hat dies umsatzsteuerrechtlich keine Bedeutung; außer wenn die Lieferung (z. B. aufgrund eines Rücktritts vom Kaufvertrag nach § 323 BGB, ggf. nach § 437 Nr. 2 BGB) rückabgewickelt wird. Fehlende Restarbeiten oder Nachbesserungen schließen eine wirksame Abnahme nicht aus, wenn das Werk ohne diese Arbeiten seinen bestimmungsgemäßen Zwecken dienen kann.
Rz. 17
Wird ein (nach Ansicht des Bauunternehmers) fertiges Werk vom Bauherrn nicht vollständig abgenommen und ist der beanstandete Teil von erheblichem Umfang, ist zu prüfen, ob der Vertragsgegenstand vollständig geliefert worden ist.
Ein Bauherr hat im November 01 mit einem Bauunternehmer einen Vertrag über die schlüsselfertige Lieferung eines Einfamilienhauses mit freistehender Garage geschlossen. Wegen gravierender Mängel verweigert der Bauherr im Februar 02 die Abnahme der Garage und nimmt nur das Haus in Nutzung. Die Garage wird erst Ende August 02 nach Mängelbeseitigung abgenommen und benutzt.
Es liegen zwei Lieferungen vor:
- die Lieferung des Einfamilienhauses und
- die Lieferung der Garage.
Ob es sich dabei um selbstständige Lieferungen oder Teillieferungen im Rahmen eines Werkvertrags handelt, ist unerheblich. Die Lieferung des Hauses wird mit der Innutzungnahme im Februar 02 ausgeführt, die der Garage im August 02. Die Bestimmung des Lieferorts richtet sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG.
Rz. 18
Die Verschaffung der Verfügungsmacht kann in jeder möglichen Form erfolgen, in der der Auftraggeber die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung anerkennt. Für den Zeitpunkt der Lieferung nicht maßgebend ist die baubehördliche Abnahme.
Zum Zeitpunkt von Werk- und Montagelieferungen s. Rz. 25ff.