Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 13
Sonstige Leistungen können in einem positiven Tun oder – ausdrücklich auch so in § 3 Abs. 9 S. 2 UStG gesetzlich vorgegeben – in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen. Da beide Möglichkeiten gleichermaßen zur Annahme einer sonstigen Leistung führen, ergeben sich zumindest keine praktischen Abgrenzungsfragen. Die gesetzliche Feststellung, dass auch das Dulden oder Unterlassen eine Handlung zu einer sonstigen Leistung i. S. d. Regelung führt, hat damit nur klarstellenden Charakter.
3.3.1 Alphabetisches Verzeichnis beispielhafter Fälle
Rz. 14
Abtretung von Forderungen
Eine sonstige Leistung kann auch die Abtretung von Forderungen darstellen, soweit sich die Abtretung im Rahmen eines Leistungsaustauschs vollzieht. Eine Abtretung (Übertragung) einer Forderung kann sich aber auch im Rahmen einer Leistungsbeistellung vollziehen, wenn die werthaltige Forderung im Rahmen des Factorings auf einen Dritten übertragen wird und der Erwerber den Zahlungseinzug (als Dienstleistung) übernimmt.
Rz. 15
Aktienumsätze
Umsätze von Aktien sind stets als sonstige Leistung zu beurteilen, da das Wesen einer Aktie darin besteht, dem Eigentümer ein Anteilsrecht an einem Teil des Kapitals – und nicht etwa an einzelnen, bestimmten körperlichen Gegenständen oder dem Gegenstand "Aktie an sich" – einzuräumen; gleiches gilt für die Umsätze von Fondsanteilen und festverzinslichen Wertpapieren, insoweit handelt es sich um die Einräumung von Rechten, die grundsätzlich im Rahmen von sonstigen Leistungen übertragbar sind.
Rz. 16
Angelkarten
Eine sonstige Leistung und keine Lieferung lebender Fische liegt vor, wenn ein Unternehmer (Angelhof) es Anglern gegen Entgeltszahlung ermöglicht, in seinen Teichen zu angeln.
Rz. 17
Auslobungen
Als sonstige Leistung wurde früher auch das Teilnehmen an Auslobungen angesehen, z. B. die Teilnahme an Pferderennen oder anderen Wettbewerben. Nachdem der EuGH festgestellt hatte, dass die Überlassung eines Pferds durch seinen Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens zwecks Teilnahme an dem Rennen keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt, wenn für sie weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und der Eigentümer nur im Falle einer erfolgreichen Platzierung ein vorher festgelegtes Preisgeld erhält, musste der BFH seine Rechtsprechung ändern. Sowohl für einen Berufspokerspieler als auch für die Teilnahme an einem Pferderennen sieht der BFH keine steuerbare unternehmerische Betätigung, wenn nur ein von der Platzierung abhängiges Preisgeld erzielbar ist. Die Finanzverwaltung hat auf diese Urteile reagiert und sieht grundsätzlich – spätestens für alle ab dem 1.7.2019 erzielten Preisgelder – eine unternehmerisch ausgeführte sonstige Leistung nur noch dann, wenn (eventuell neben einem platzierungsabhängigen Preisgeld) auch ein von der Platzierung unabhängiges Entgelt erwartet wird.
Zur weiteren Abgrenzung hatte der BFH erneut den EuGH angerufen. In dem Sachverhalt ging es um den Inhaber eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, der gegenüber den Pferdeeigentümern eine Leistung ausführte, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme besteht. Der Inhaber des Ausbildungsstalls, der auch Reiter war, erhielt als "Gegenleistung" nur einen Anspruch auf die Hälfte des bei Turnieren erhaltenen Preisgelds. Der BFH fragte den EuGH, ob insoweit eine Leistung gegen Entgelt vorliegt. Der EuGH hat dazu entschieden, dass die einheitliche Leistung des Inhabers eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, eine sonstige Leistung gegen Entgelt darstellt, wenn der Eigentümer der Pferde diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme seiner Pferde zustehenden Anspruchs auf die gewonnenen Preisgelder vergütet.
Rz. 18
BahnCard
Mit dem Verkauf der sog. BahnCard erbringt die Deutsche Bahn AG eine sonstige Leistung. Sie verpflichtet sich, den jeweiligen Erwerber innerhalb eines bestimmten Zeitraums (1 Jahr) zu besonders günstigen Preisen zu befördern (z. B. 50 % der regulären Fahrpreise). Ob diese Berechtigung tatsächlich in Anspruch genommen wird oder zu welchem Gesamtpreis der Besitzer der BahnCard Fahrkarten erwirbt, ist ohne Bedeutung. Es liegt deshalb mangels Bezug zu etwaigen (Beförderungs-)Leistungen der Deutschen Bahn AG keine Vorauszahlung für eine spezielle Beförderungsleistung vor.
Die BahnCard stellt keinen Fahrausweis i. S. d. § 34 UStDV dar. Der Vorsteuerabzug des Erwerbers hängt deshalb von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung mit offenem Steuerausweis ab. Im Zuge der zum 1.1.2020 vorgenommenen Absenkung des Steuersatzes auf 7 % (ermäßigter Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG) sind auch die Steuersätze für die BahnCard 25 und BahnCard 50 angepasst worden. Obwohl systematisch nicht unbedingt zwingend, wird hier wohl vertretbar von einem Zusammenhang mit den ermäßigt besteuerten Leistungen im Bahnverkehr ausgegangen. Bei einer ...