Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 99
Die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine sonstige Leistung ausgeführt wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Auch das Unionsrecht bietet keine brauchbaren Hinweise. Nach Art. 63 MwStSystRL treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Dienstleistung bewirkt wird. Gerade die Frage, wann eine sonstige Leistung erbracht oder bewirkt wird, bereitet oft Schwierigkeiten. Maßgebend ist der Sachverhalt des einzelnen Falls. Insbesondere die folgenden Gesichtspunkte müssen geprüft werden:
- Liegen Gesamtleistungen oder Einzelleistungen vor?
- Was ist Leistungsinhalt?
- Was ist Wille der Beteiligten?
- Wie ist die Interessenlage der Beteiligten?
- Was ist Verkehrssitte?
- Handelt es sich um eine Erfolgsleistung oder eine Dauerleistung?
Erfolgsleistungen sind mit dem Eintritt des Erfolgs erbracht (z. B. beim Auftrag zum Tapezieren einer Wohnung mit dem Anbringen der vom Leistungsempfänger gestellten Tapete). Eine sonstige Leistung, die lediglich aus einem positiven oder negativen Rechtsakt besteht, ist mit der Abgabe der betreffenden Willenserklärung erbracht.
Rz. 100
Sonstige Leistungen, die sich aus mehreren zusammenhängenden Leistungsteilen zusammensetzen, werden grundsätzlich erst mit der Vollendung des letzten Leistungsteils erbracht. Oft (insbesondere im Baugewerbe) findet nach Beendigung der Leistung eine Abnahme durch den Auftraggeber statt. Die Abnahme kann in der betreffenden Branche üblich oder zwischen den Vertragspartnern vereinbart sein. Da in diesen Fällen bei der Werkleistung (ebenso wie bei der Werklieferung) erst im Zeitpunkt der Abnahme feststeht, ob die Leistung vollendet ist oder ob ein weiteres Tätigwerden des Unternehmers (z. B. eine Nachbesserung) erforderlich ist, werden nach dem Willen der Vertragspartner die Zeitpunkte der Abnahme und der Leistung häufig zusammenfallen, Abschn. 13.2 Abs. 1 Nr. 2 UStAE.
Rz. 101
Soweit für eine ausgeführte sonstige Leistung nach den Grundsätzen der Sollbesteuerung die USt grundsätzlich entstanden ist, die Gegenleistung aber nur in einzelnen (über Jahre) verteilten Raten fließt, stellt sich die Frage, wann die Umsatzsteuer für die Gesamtleistung entstanden ist. Nach einer Entscheidung des EuGH und nachfolgend des BFH kann sich der Unternehmer in bestimmten Fällen auf eine unmittelbare Anwendung des Art. 64 MwStSystRL berufen.
In der Entscheidung ging es um die Entstehung der USt bei der erfolgten Vermittlung eines Profifußballspielers und der Auszahlung der entstandenen Vermittlungsprovision über mehrere Jahresraten. Nach der Beurteilung des BFH ist der Teilleistungsbegriff nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 und S. 3 UStG nicht richtlinienkonform auslegbar. Deshalb müssen Unternehmer, die für eine ausgeführte sonstige Leistung die Gegenleistung erst in mehreren Raten vereinnahmen, sich unmittelbar auf Art. 64 MwStSystRL berufen. Danach könnten – mit ausdrücklicher Ausnahme der Vermietung von Gegenständen oder eines Ratenkaufs – Ratenzahlungsvereinbarungen dazu führen, dass die USt erst mit dem jeweiligen Zahlungsfluss entsteht. Allerdings war in dem entschiedenen Fall die Zahlung der weiteren Raten (nach Ausführung der Vermittlungsleistung) von der weiteren Bedingung abhängig, dass der Spieler noch bei dem Verein beschäftigt war. Ohne diese weitere Voraussetzung war ein Auszahlungsanspruch für die weiteren Raten für den Spielervermittler nicht gegeben. Der EuGH hatte deshalb in einer weiteren Entscheidung klargestellt, dass dies nicht grundsätzlich für Ratenzahlungsvereinbarungen gilt, sondern nur dann, wenn die Zahlung der weiteren Raten noch von Bedingungen abhängig ist, die erst zu einem späteren – nach Ausführung der Leistung – Zeitpunkt eintreten können. Ist die Leistung ausgeführt worden und ist die Zahlung von keiner weiteren Bedingung abhängig, entsteht die Umsatzsteuer bei Anwendung der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten mit Ausführung der Leistung.
Rz. 102
Sonstige Leistungen, die sich auf einen längeren Zeitraum erstrecken – sog. Dauerleistungen – werden an dem Tag ausgeführt, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum insgesamt endet, Abschn. 13.2 Abs. 3 UStAE. Dies gilt z. B. für Vermietungen, Leasing-, Wartungs- und Überwachungsverträge aber auch für die Bestellung von Erbbau- oder Nießbrauchsrechten. Werden vor Leistungsausführung Abrechnungen für kürzere Zeitabschnitte vorgenommen (z. B. monatliche Abrechnung bei Mietverträgen), sind grundsätzlich Teilleistungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 UStG gegeben.
Beispiele:
Ein Baumaschinenhändler schließt mit Abnehmern Verträge, in denen er sich gegen Entgelt verpflichtet, auf die Dauer eines Jahrs die verkauften Maschinen in bestimmten Zeitabständen zu warten. Die Rechnungen werden jeweils zu Beginn der Wartungszeit erteilt.
Eine Heizungsfirma vereinbart mit Hauseigentümern gegen ein Gesamtentgelt für die Dauer eines Jahrs die Feuerungsanlagen in unregelmäßigen Zeitabständen mehrmals zu prüfen und aufgetretene Störungen zu beseitigen. Die Rechnungen werden regelm...