Rz. 3
§ 3d bestimmt den Mitgliedstaat, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 1a UStG und § 1b UStG) als bewirkt gilt. Die Regelung stellt keine "klassische" Ortsbestimmungsvorschrift dar, da sie lediglich das Besteuerungsrecht einem bestimmten Mitgliedstaat zuweist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG sind nur im Inland ausgeführte innergemeinschaftliche Erwerbe steuerbar. § 1a UStG legt die erforderlichen Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs allgemein, § 3d UStG deren Ort fest.
Rz. 4
Nach § 3d S. 1 UStG gilt ein innergemeinschaftlicher Erwerb grundsätzlich in dem EU-Mitgliedstaat als bewirkt, in dem sich der Liefergegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Hierdurch wird das Besteuerungsrecht gem. Art. 40 MwStSystRL dem Bestimmungsstaat zugewiesen. Wie der Umsatz im Abgangsmitgliedstaat behandelt wurde, insbesondere, ob dort eine StBefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch genommen wurde, ist für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zwar grds. ohne Bedeutung. Jedoch hat der EuGH im Lichte des Art. 41 MwStSystRL (entsprechend § 3d S. 2 UStG) entschieden, dass die Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs grds. mit der Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs einhergeht.
Zudem ist die Ansässigkeit des Erwerbers oder das Innehaben einer Betriebsstätte im Bestimmungsstaat unerheblich, sodass davon unabhängig ein innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 3d S. 1 UStG oder § 3d S. 2 UStG bewirkt werden kann.
§ 3d S. 2 UStG fingiert die Bewirkung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs, wenn der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet, als diejenige des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Warenbewegung endet. Diese fiktive Erwerbsteuer kann durch den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland oder unter den Voraussetzungen des § 25b Abs. 3 UStG i. V. m. Abs. 2 UStG beseitigt werden. Satz 2 der Regelung dient damit zum einen der Sicherstellung der Besteuerung grenzüberschreitender Warenlieferungen innerhalb der EU. Zum anderen soll verhindert werden, dass der Erwerb doppelt besteuert wird. Denn wenn der Erwerber nachweist, dass er im Bestimmungsstaat einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert hat, wird er von einer Doppelbesteuerung "befreit". Damit wird sichergestellt, dass der Erwerb im Staat erfolgt, in dem (voraussichtlich) der Verbrauch durch den Endverbraucher stattfindet.
Insoweit soll eine Besteuerung aber auch davon abhängig sein, ob zugleich ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Abgangsstaat vorliegt.
Damit scheidet m. E. im Ergebnis eine Besteuerung nach § 3d S. 2 UStG in der seit 1.1.2020 geltenden Fassung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung aus, wenn der deutsche Abnehmer eine deutsche USt-IdNr. gegenüber seinem Lieferanten verwendet, der Liefergegenstand aber in die übrige EU versendet wird. Denn dann sind die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG nicht erfüllt und eine innergemeinschaftliche Lieferung kann nicht vorliegen. Die Folge der zwingenden Besteuerung einer Lieferung im Abgangsstaat würde dazu führen, dass es zu einer Doppelbesteuerung käme, die gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie der steuerlichen Neutralität verstoßen würde.