Rz. 52
§ 4 Nr. 29 UStG steht in einem sachlichen Zusammenhang mit § 2b Abs. 3 UStG und konkurriert z. T. mit dieser Vorschrift, soweit es um Kooperationsleistungen im Bereich der öffentlichen Hand geht. Wenn eine Leistung von einer jPöR an eine andere jPöR ausgeführt wird, liegen nach § 2b Abs. 3 UStG per Legaldefinition größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn
"1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder
2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn
a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,
b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,
c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und
d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere jPöR erbringt."
Rz. 53
Rechtsfolge von § 2b Abs. 3 UStG ist die Nichtsteuerbarkeit der Leistung, weil diese per Legaldefinition, dass keine größere Wettbewerbsverzerrung vorliegt, nichtunternehmerisch bewirkt wird. Nach § 4 Nr. 29 UStG setzt die Leistung eines Personenzusammenschlusses in der Rechtsform einer jPöR voraus, dass der Personenzusammenschluss mit seinen Leistungen an die angeschlossenen Mitglieder unternehmerisch handelt. Die Steuerbefreiung steht weiter unter der Voraussetzung, dass die Leistung des Personenzusammenschlusses nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt (ungeachtet, ob es sich um größere Wettbewerbsverzerrungen handelt oder nicht). In bestimmten Fällen von Kooperationsleistungen im Bereich der öffentlichen Hand kann dies dazu führen, dass über die Fiktion des § 2b Abs. 3 UStG die Unternehmereigenschaft eines Personenzusammenschlusses mit der Rechtsform einer jPöR negiert wird, mit der Folge, dass bei gleicher Leistung § 4 Nr. 29 UStG nicht anwendbar wäre. Fraglich ist, welche Vorschrift in einem solchen Fall vorgeht, denn die Rechtsfolgen von § 2b Abs. 3 und § 4 Nr. 29 UStG sind unterschiedlich, hier Nichtsteuerbarkeit des Umsatzes, dort Steuerbefreiung. Umgekehrt könnte, wenn eine der Voraussetzungen von § 2b Abs. 3 UStG (mit Ausnahme der Kostenerstattungsklausel nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c UStG, die der in § 4 Nr. 29 UStG ähnelt) nicht vorliegt (z. B. wenn nicht i. S. v. § 2b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d UStG gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere jPöR erbracht werden), dennoch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG greifen. M.E. bestehen beide Vorschriften gleichrangig nebeneinander, keine ist lex specialis zu der jeweils anderen Vorschrift. Da aber die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG Unternehmereigenschaft des Personenzusammenschlusses voraussetzt, bedeutet dies m. E., dass bei Annahme der Nichtsteuerbarkeit einer Leistung nach § 2b Abs. 3 UStG wegen Nichtunternehmereigenschaft der leistenden jPöR die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG nicht mehr greifen kann.
Eine jPöR in der Form eines Zweckverbands organisiert für mehrere ihm angeschlossene Kommunen IT-Dienstleistungen (Softwarelösungen, IT-Support) an die angeschlossenen Kommunen. In diesem Fall könnte § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG (die Leistungen dürfen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von jPöR erbracht werden) nicht erfüllt sein. Käme man unter den Voraussetzungen des § 2b UStG zu dem Ergebnis, der Zweckverband handelt als Unternehmer, könnte unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 29 UStG gleichwohl noch eine Steuerbefreiung der Leistung des Zweckverbands in Betracht kommen. Auch wenn das Ergebnis nach § 2b Abs. 3 UStG wäre, dass die gesetzliche Fiktion, dass größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen, nicht zum Tragen käme, wäre bei Anwendung des § 4 Nr. 29 UStG gleichwohl die Wettbewerbsklausel (gesondert) zu prüfen. Anders als in § 2b UStG, wo die Wettbewerbsklausel mit Blick auf die etwaige Behandlung einer jPöR als Nichtunternehmer ausgestaltet ist, hebt die Wettbewerbsklausel in § 4 Nr. 29 UStG auf eine etwaige Steuerbefreiung ab. Die Grundlagen der Prüfung möglicher Wettbewerbsverzerrungen für Zwecke des § 2b UStG einerseits und des § 4 Nr. 29 UStG andererseits dürften somit unterschiedlich sein.