1.1 Vorbemerkung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
§ 4 Nr. 4c UStG regelt die Steuerbefreiung der Lieferung von Gegenständen an einen Unternehmer für sein Unternehmen, die dieser nach § 3 Abs. 3a S. 1 UStG im Gemeinschaftsgebiet weiterliefert. Somit handelt es sich um die Steuerbefreiung der ruhenden Lieferung, die ein liefernder Unternehmer (Online-Versandhändler) bei Nutzung einer elektronischen Schnittstelle (Online-Marktplatz) umsatzsteuerlich nach § 3 Abs. 3a S. 1 UStG fiktiv an den Betreiber des Marktplatzes erbringt, während der liefernde Unternehmer (Versandhändler) zivilrechtlich die Lieferung unmittelbar an seinen Vertragskunden bewirkt.
Rz. 2
§ 4 Nr. 4c UStG steht in systematischem Zusammenhang insbesondere mit § 3 Abs. 3a S. 1 UStG und § 3 Abs. 6b UStG. § 3 Abs. 3a S. 1 UStG regelt Lieferungen durch Drittlandsunternehmer (Versandhändler) an Privatkunden in der EU, bei denen ein Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung des Drittlandsunternehmers unterstützt und fingiert ein Reihengeschäft, in dem der eigentlich (zivilrechtlich) einen Privatkunden beliefernde Versandhändler umsatzsteuerlich so gestellt wird, als habe er seine Lieferung als ruhende Lieferung an die elektronische Schnittstelle (Online-Marktplatzbetreiber) ausführt, während dieser Marktplatzbetreiber seinerseits fiktiv (umsatzsteuerlich) so gestellt wird, als habe er die Lieferung an den Privatkunden ausgeführt. Diese Lieferung des Marktplatzbetreibers wird nach § 3 Abs. 6b UStG als die warenbewegte Lieferung angesehen mit den entsprechenden Rechtsfolgen hinsichtlich des Orts dieser Lieferung. Da es in einem Reihengeschäft (auch einem fiktiven wie nach § 3 Abs. 3a UStG) nur eine warenbewegte Lieferung geben kann, während alle anderen Lieferungen sog. ruhende Lieferungen sind, gilt die fiktive Lieferung des Versandhändlers an den Online-Marktplatzbetreiber als ruhende Lieferung mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen für den Ort dieser Lieferung.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 3
§ 4 Nr. 4c UStG ist durch Art. 14 Nr. 5 des JStG 2020 mWv 1.7.2021 in das Gesetz aufgenommen worden. Zur Begründung der Vorschrift, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens keine weiteren Änderungen erfahren hat, vgl. den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines JStG 2020.
1.3 Unionsrecht
Rz. 4
§ 4 Nr. 4c UStG beruht auf Art. 1 Nr. 3 der RL (EU) 2019/1995, mit dem Art. 136a neu in die MwStSystRL neu eingefügt wurde. Die Vorschrift bestimmt: Wird ein Steuerpflichtiger gemäß Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL behandelt, als ob er Gegenstände erhalten und geliefert hätte, befreien die Mitgliedstaaten die Lieferung dieser Gegenstände an diesen Steuerpflichtigen von der Steuer. Nach Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL gilt: Steuerpflichtige, die die Lieferung von Gegenständen innerhalb der Gemeinschaft durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige Person durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, werden behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Somit wird unionsrechtlich die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch nicht in der Gemeinschaft ansässige Unternehmer an Nichtunternehmer, die von einem Unternehmer durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle unterstützt wird, nach Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL so behandelt, als ob er (der Betreiber der elektronischen Schnittstelle) diesen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Nach Art. 136a MwStSystRL wird diese fiktive Lieferung an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle befreit. Mit § 4 Nr. 4c UStG ist diese Steuerbefreiungsregelung in nationales Recht umgesetzt. Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL wurde mit § 3 Abs. 3a S. 1 UStG in nationales Recht umgesetzt.
Rz. 5
Nach Art. 14a Abs. 1 MwStSystRL gilt eine ähnliche Reihengeschäftsfiktion wie die in Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL für innereuropäische Lieferungen durch Drittlandsunternehmer, nämlich für Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet in die EU, die ebenfalls über einen Online-Marktplatz abgewickelt werden, wobei es hier auf die Ansässigkeit des liefernden Unternehmers (ob in der EU oder im Drittlandsgebiet) nicht ankommt. Art. 14a Abs. 1 MwStSystRL bestimmt: Steuerpflichtige, die Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, werden behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Diese Regelung w...