Rz. 65
Sachlich erstreckt sich die Steuerbefreiung nur auf die
- Lieferungen (und ihnen entsprechende unentgeltliche Wertabgaben) von Blindenwaren und Zusatzwaren sowie auf
- die sonstigen Leistungen (und entsprechenden unentgeltlichen Wertabgaben), soweit bei ihrer Ausführung ausschließlich Blinde mitgewirkt haben.
Rz. 66
Blindenwaren sind Waren, die in ihren wesentlichen, das Erzeugnis bestimmenden Arbeiten von Blinden hergestellt und ihrer Art nach durch Rechtsverordnung bestimmt sind. Welche Waren im Einzelnen hierunter fallen, ergibt sich aus der (mWv 14.9.2007 aufgehobenen) Verordnung zur Durchführung des Blindenwarenvertriebsgesetzes. Nach § 1 DVO BliwaG sind Blindenwaren:
- überwiegend handgefertigte Bürsten und Besen aller Art,
- Korbflechtwaren sowie Rahmen- und Stuhlflechtarbeiten,
- Doppel-, Rippen-, Gitter- und Gliedermatten,
- mit Rahmen oder Handwebstühlen oder mit mechanischen Webstühlen hergestellte Webwaren,
- Strick-, Knüpf- und Häkelwaren und durch Strickmaschinen hergestellte Waren,
- kunstgewerbliche Waren aus Keramik, Leder, Holz, Metall und Kunststoff,
- Federwäscheklammern,
- Arbeitsschürzen aus Segeltuch, Drillich, Gummi oder Kunststoff.
Unter die Steuerbefreiung fallen auch Umsätze von solchen Blindenwaren, die nicht in der eigenen Blindenwerkstätte hergestellt sind. Sog. "Blindenseife" ist keine Blindenware.
Rz. 67
Zusatzwaren sind Waren, die zusammen mit Blindenwaren verwendet zu werden pflegen oder deren gleichzeitiger Vertrieb den Absatz von Blindenwaren besonders zu fördern geeignet ist und die ihrer Art nach durch Rechtsverordnung bestimmt sind. Nach § 2 DVO BliwaG dürfen als Zusatzwaren vertrieben werden:
- Korb- und Seilerwaren,
- Pinsel und Matten sowie
- einfaches Reinigungsgerät und Putzzeug mit Ausnahme der in § 1 DVO bezeichneten Waren, auch wenn diese nach anderen als den dort genannten Verfahren hergestellt werden.
Rz. 68
Der Erlös aus dem Verkauf der Zusatzwaren darf bei Blindenwerkstätten und bei Zusammenschlüssen von Blindenwerkstätten 30 % des Gesamterlöses aus dem Verkauf von Blindenwaren und Zusatzwaren während des Kalenderjahrs nicht übersteigen. Diese Grenze spielt für die Frage der Steuerbefreiung jedoch keine Rolle. Das FG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass wegen Fehlens einer anteiligen Begrenzung des Zusatzwarenumsatzes in § 2 Abs. 2 BliwaG jede Lieferung von Zusatzwaren von der USt befreit ist. Die 30 %-Grenze in der DVO ist somit nur maßgeblich zur Begriffsbestimmung, nicht aber hinsichtlich des Ausmaßes der Umsatzsteuerbefreiung.
Rz. 69
Typische Beispiele für Zusatzwaren sind: Stiele und Stielhalter, Zahnbürsten und doppelte Handwaschbürsten, geklöppelte Wäscheleinen, überwiegend von Hand hergestellte Reisstrohbesen, Pinsel, Fensterleder und Schwämme.
Rz. 70
Sonstige Leistungen sind nach § 4 Nr. 19 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, soweit bei ihrer Ausführung ausschließlich Blinde mitgewirkt haben. Hier kommen in Betracht: Flechtarbeiten, Ausbesserungen an Korbmöbeln, Klavierstimmen. Hilfs- und Nebenarbeiten dürfen von sehenden Personen ausgeführt werden (z. B. Transport reparierter Gegenstände zum Auftraggeber).
An Blindenwerkstätten erbrachte Vermittlungsleistungen fallen weder nach dem Wortlaut noch unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben in den Anwendungsbereich des Steuerbefreiungstatbestandes in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG.