Rz. 3
Die gem. § 15 Abs. 2 und 3 UStG wegen der Ausführung steuerfreier Umsätze vom Abzug ausgeschlossenen Vorsteuern gehören beim leistenden Unternehmer zu den Kosten des Umsatzes. Der Unternehmer wird diese Kostenbelastung regelmäßig bei seiner Preisbildung berücksichtigen, weil er nicht bereit sein wird, seinen Gewinn um die nichtabzugsfähigen Vorsteuern zu mindern. Gelingt die verdeckte Überwälzung der nichtabzugsfähigen Vorsteuern über den Preis auf den Leistungsempfänger, dann erhält dieser die Leistung mit einer Belastung an nichtabzugsfähiger Vorsteuer. Wenn der Leistungsempfänger die Leistung seinerseits zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet, geht der zum Preisbestandteil gewordene Vorsteuerbetrag des Vorunternehmers wiederum in die Kosten des Nachunternehmers ein. Bei kostendeckenden Entgelten wird dann Steuer auch bezüglich der nichtabzugsfähigen Vorsteuern erhoben, also USt von USt. Dieser Kumulationseffekt soll durch die Mehrwertsteuer grundsätzlich vermieden werden.
Unternehmer U baut im Jahr 01 ein Bürogebäude zum Preis von 10 Mio. EUR zzgl. 19 % USt = 1,9 Mio. EUR. Die Baukosten betragen somit 11,9 Mio. EUR. Bei einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung des Gebäudes ist der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 UStG bezüglich der Baukosten ausgeschlossen. Wenn U eine Jahresmiete i. H. v. 10 % der Baukosten erzielen will, muss die Miete 1,19 Mio. EUR betragen. Dieser Betrag belastet dann den Mieter in voller Höhe, weil ein Vorsteuerabzug für ihn wegen der Steuerfreiheit des Mietzinses nicht in Betracht kommt. U muss bei der Preisermittlung für seine Umsätze den Betrag von 1,19 Mio. EUR als Kosten berücksichtigen. Damit wird bei der Versteuerung seiner Umsätze auch auf diese 1,19 Mio. EUR USt erhoben werden, denn diese sind in seine Kosten eingegangen. Dies wiederholt sich bei jeder weiteren Umsatzstufe.
Hätte U den Vorsteuerabzug aus den Baukosten in Anspruch nehmen können, dann könnte er zur Erzielung der gleichen Verzinsung sich mit einer (Netto-)Miete von nur 1 Mio. EUR begnügen, müsste aber wegen deren Steuerpflicht USt zahlen. Die Steuer auf diese Miete beim Steuersatz von 19 % i. H. v. 190 000 EUR wäre beim Mieter unter den Voraussetzungen des § 15 UStG abzugsfähig; er wäre also nur mit 1 Mio. EUR vorbelastet. Bei der Versteuerung der Umsätze des Mieters entsteht dann keine Kumulation von USt. Die Überwälzung der USt auf seinen Mieter wird dem U ohne Weiteres in vollem Umfang gelingen, weil dieser zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Rz. 4
Das Beispiel zeigt, dass die nachteiligen Folgen der Steuerfreiheit von Umsätzen in der Unternehmerkette dadurch vermieden werden können, dass zur Erhaltung des Vorsteuerabzugs von der Steuerbefreiung kein Gebrauch gemacht wird. Systematisch geboten und sinnvoll ist ein derartiger Verzicht auf eine Steuerbefreiung allerdings nur bei Umsätzen an Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Hinzu kommt noch Folgendes: Wenn ein Unternehmer sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze ausführt, muss er gem. § 15 Abs. 4 UStG die Vorsteuern aufteilen; dies kann zu einem erheblichen Aufwand führen. Die Notwendigkeit zur Aufteilung von Vorsteuern entfällt wiederum, wenn alle steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig behandelt werden können. Insofern kann die Anwendung des § 9 UStG bei den Unternehmen zu einer erheblichen Vereinfachung bei den Umsatzsteuer-Erklärungen führen.
Rz. 4a
Die Vorschrift gibt dem Unternehmer zwar ein sonst im Umsatzsteuerrecht eher seltenes Gestaltungsrecht. Dessen korrekte Ausübung setzt aber Kenntnisse hinsichtlich des Geschäftspartners voraus, die nicht ohne Weiteres zu erhalten sind. Ob der Leistungsempfänger die Leistung, für deren Steuerpflicht optiert wird, tatsächlich für sein Unternehmen verwendet – das verlangt § 9 Abs. 1 UStG – oder ob er, wie von § 9 Abs. 2 UStG vorausgesetzt wird, das steuerpflichtig vermietete Grundstück wirklich ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, kann der optierende Unternehmer kaum zuverlässig nachprüfen. Er ist darauf angewiesen, dass ihm diese Kenntnisse von seinem Leistungsempfänger rechtzeitig und zutreffend übermittelt werden. Er sollte sich den Zugang zu diesen Kenntnissen auch zivilrechtlich zusichern lassen. Sind die vom Leistungsempfänger erteilten Auskünfte falsch und ist dies für den leistenden Unternehmer mit zumutbarem Aufwand nicht erkennbar, stellt sich die Frage, ob es einen Vertrauensschutz gibt.
Rz. 4b
Das FM Sachsen-Anhalt hat deshalb in dem Erlass v. 18.5.2016 zugelassen, dass in den Fällen, in denen ein Unternehmer steuerpflichtig Geschäftsräume an einen Vermögensverwalter vermietet hat, der sich nach dem Urteil des BFH v. 11.4.2013 nachträglich auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze beruft, seine bis Ende 2013 an den Vermögensverwalter erbrachten Vermietungsleistungen entgegen § 9 Abs. 2 UStG weiterhin als steuerpflichtig behandeln darf. Dies kann nur damit gerechtfertigt werden, dass d...