Rz. 133
Art. 30a MwStSystRL enthält die Definitionen von Gutscheinen. Ein "Gutschein" ist ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistung anzunehmen und bei dem die zu liefernden Gegenstände oder die Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleister entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind. Dabei wird zusätzlich unterschieden zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Ein "Einzweckgutschein" ist ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung oder der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete MwSt zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins bereits feststehen. Ein "Mehrzweckgutschein" ist ein Gutschein, bei dem es sich nicht um einen Einzweckgutschein handelt, also jede andere Form eines Gutscheins. Die Regelung über die Gutscheine gilt nicht für Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen und ähnliche Instrumente.
Rz. 134
Die Bestimmungen des Art. 30 betreffen ausschließlich Gutscheine, die (an Zahlung statt) zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden können. Sie gelten nicht für Instrumente, die den Inhaber zu einem Preisnachlass beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten. Gutscheine können körperlicher Art sein oder in elektronischer Form bestehen.
Rz. 135
Art. 30b MwStSystRL regelt den Zeitpunkt, zu dem bei Verwendung eines Gutscheins die MwSt erhoben wird. Bei einem Einzweckgutschein liegen alle Informationen bereits bei der Ausgabe des Gutscheins vor, die benötigt werden, um die mehrwertsteuerliche Behandlung der zugrunde liegenden Umsätze mit Sicherheit zu bestimmen. Demzufolge erfolgt die Besteuerung im Zeitpunkt der Ausstellung/Übertragung des Gutscheins. Hierzu regelt Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL, dass jede Übertragung eines Einzweckgutscheins durch einen Unternehmer, der in eigenem Namen handelt, als die (steuerbare) Leistung (Lieferung oder Dienstleistung) gilt, auf die sich der Gutschein bezieht. Die spätere ("tatsächliche") Lieferung oder Dienstleistung, für die ein Einzweckgutschein als Gegenleistung oder als Teil der Gegenleistung von dem leistenden Unternehmer angenommen wird, gilt "nicht als unabhängiger Umsatz".
Gutschein eines Kulturkaufhauses
Ein Kulturkaufhaus verkauft am 1.9.2022 einen Gutschein zum Nennwert von 100 EUR (4 Musik-CD's im Wert von 80 EUR sowie ein Buch (Roman im Wert von 20 EUR) zu einem Preis von 90 EUR an eine Privatperson. Der Gutschein kann binnen 6 Wochen für den Erwerb der Gegenstände in diesem Kaufhaus eingelöst werden. Der Gutschein wird am 5.10.2022 bei einem Besuch des Kaufhauses eingelöst.
Es handelt sich um einen Einzweckgutschein. Dass die beschriebene Leistung eine Vielzahl von Einzelleistungen beinhaltet, die u. U. verschiedenen Steuersätzen unterliegen, ist unerheblich. Der Unternehmer muss in diesem Fall den erhaltenen Gesamtbetrag aufteilen (hier im Verhältnis 80/100 zum Steuersatz von 19 % und im Verhältnis 20/100 zum Steuersatz von 7 %). Die USt auf den Verkauf des Gutscheins (die aus dem vom Kunden entrichteten Betrag (90 EUR) herauszurechnen ist), entsteht im Voranmeldungszeitraum September 2022. Der spätere Kauf der CD's bzw. der Buchverkauf sind umsatzsteuerlich unbedeutend, wenn der Kunde im Rahmen dieses Umsatzes nicht weitere Leistungen bezieht, für die er eine Gegenleistung entrichtet.
Rz. 136
Erfolgt die Übertragung eines Einzweckgutscheins durch einen Unternehmer, der im Namen eines anderen Unternehmers handelt, gilt diese Übertragung als eine Lieferung oder Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den anderen Unternehmer, in dessen Namen der übertragende Unternehmer handelt. Der übertragende, in fremdem Namen handelnde Unternehmer erbringt somit keinen steuerbaren Umsatz. Handelt es sich bei dem leistenden Unternehmer (Lieferer oder Dienstleister) nicht um den Unternehmer, der, im eigenen Namen handelnd, den Einzweckgutschein ausgestellt hat, wird nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL ähnlich den Grundsätzen der Dienstleistungskommission der leistende Unternehmer dennoch so behandelt, als habe er "diesem Steuerpflichtigen" (d. h. dem Aussteller des Gutscheins) die Lieferung oder Dienstleistung in Bezug auf den Gutschein bewirkt.
Rz. 137
Bei einem Mehrzweckgutschein liegen zum Zeitpunkt der Ausgabe nicht alle Informationen vor, um die mehrwertsteuerliche Behandlung der diesem zugrunde liegenden Umsätze zuverlässig zu bestimmen. Die MwSt kann für den zugrunde liegenden Umsatz somit erst bei der Einlösung des Gutscheins erhoben werden. Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL regelt insoweit, dass nur die (spätere) tatsächliche Lieferung oder sonstige Leistung,...