Rz. 188
Art. 90–92 MwStSystRL enthalten verschiedene Bestimmungen betreffend nachträglicher Entgeltminderungen, die Umrechnung ausländischer Werte und die Behandlung von Warenumschließungen. Bei Regelungen im Zusammenhang mit der Uneinbringlichkeit des Entgelts müssen die Mitgliedstaaten Forderungen auf Geld- und Sachleistungen gleich behandeln. Die Art. 90 Abs. 1 und Art. 273 MwStSystRL räumen den Mitgliedstaaten ein Ermessen insbesondere in Bezug auf die vom Unternehmer gegenüber den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten zu erfüllenden Formalitäten ein, wenn im Fall eines Preisnachlasses nach Bewirkung des Umsatzes die Steuerbemessungsgrundlage entsprechend vermindert werden soll. Dieses Ermessen ergibt sich daraus, dass die genannten Vorschriften außer den von ihnen festgelegten Grenzen weder die Bedingungen noch die Pflichten angeben, die die Mitgliedstaaten vorsehen können. Eine nationale Regelung, dass der Unternehmer im Besitz einer von seinem Kunden übermittelten Bestätigung des Erhalts einer berichtigten Rechnung ist, und ihr Zweck, die genaue Erhebung der Steuer sicherstellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, fallen sowohl unter die Bedingungen nach Art. 90 MwStSystRL als auch unter die Pflichten nach Art. 273 MwStSystRL. Da die Mitgliedstaaten nach Art. 90 MwStSystRL immer verpflichtet sind, die Steuerbemessungsgrundlage und mithin die Umsatzsteuerschuld des Unternehmers zu verringern, wenn der Unternehmer nach Bewirken des Umsatzes die Gegenleistung ganz oder teilweise nicht erhält, können die Mitgliedstaaten eine solche Regelung treffen, ohne dass diese gegen den Neutralitätsgrundsatz der MwSt verstößt.
Art. 90 MwStSystRL steht einer nationalen Regelung entgegen, wonach der Unternehmer bei vollständiger oder teilweiser Nichtbezahlung des Leistungsentgelts durch seinen Schuldner keine Berichtigung der Bemessungsgrundlage durchführen kann, wenn der Schuldner nicht mehr mehrwertsteuerpflichtig, d. h. nicht mehr als Unternehmer registriert ist. Eine nationale Regelung, die die Berichtigung der Bemessungsgrundlage davon abhängig macht, dass der Schuldner noch Unternehmer ist, kann nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Unsicherheit über die Endgültigkeit der in Rede stehenden Nichtbezahlung der Gegenleistung zu berücksichtigen. Dass der Schuldner nicht mehr mehrwertsteuerpflichtig ist, ist im Kontext eines Insolvenzverfahrens vielmehr im Gegenteil ein Umstand, der die Endgültigkeit der Nichtbezahlung bestätigen kann.
Rz. 189
Die Minderung der Besteuerungsgrundlage für die MwSt kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein Insolvenzverfahren erfolglos geblieben ist, wenn ein solches Verfahren mehr als zehn Jahre dauern kann. Würde zugelassen, dass die Mitgliedstaaten jede Verminderung der Besteuerungsgrundlage für die MwSt ausschließen könnten, liefe dies auch dem Grundsatz der Neutralität der MwSt zuwider, aus dem sich insbesondere ergibt, dass der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten MwSt entlastet werden muss.
Art. 90 Abs. 1 und Art. 273 der MwStSystRL stehen der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach einem Steuerpflichtigen das Recht auf Verminderung der im Zusammenhang mit einer uneinbringlichen Forderung entrichteten MwSt versagt wird, wenn er diese Forderung im Insolvenzverfahren gegen seinen Schuldner nicht angemeldet hat, und zwar selbst dann, wenn er nachweist, dass diese Forderung, auch wenn er sie angemeldet hätte, nicht beigetrieben worden wäre. Weist der Steuerpflichtige nach, dass seine Forderung auch dann nicht beigetrieben worden wäre, wenn er diese angemeldet hätte, geht der Ausschluss einer Berichtigung der Bemessungsgrundlage und dessen Belastung mit MwSt, die er im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht erhalten hat, über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels der Vermeidung der Gefährdung des Steueraufkommens zwingend erforderlich ist. In diesem Fall hätte nämlich durch die Anmeldung der betreffenden Forderung kein zusätzlicher Schaden für den Mitgliedstaat vermieden werden können.
Es ist grds. zulässig, wenn eine Minderung der Bemessungsgrundlage und Berichtigung der MwSt in Fällen der Nichtzahlung erst nach der Mitteilung der Steuerannullierung gegenüber dem Leistungsempfänger zwecks Berichtigung des ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzugs vorgenommen werden darf. Eine Steuerberichtigung kann grds. auch versagt werden, wenn die Mitteilung gegenüber dem Leistungsempfänger nicht innerhalb der für den Steuerabzug vorgesehenen Frist erfolgt. Eine nationale Regelung, dass der leistende Unternehmer dem Schuldner der Gegenleistung im Voraus mitteilen muss, dass er beabsichtigt, die MwSt ganz oder teilweise zu berichtigen und den Schuldner darüber zu informieren, dass er möglicherweise seinen Vorsteuerabzug berichtigen muss, kann sowohl die genaue Erhebung der MwSt sicherstellen als auch Steuerhi...