Rz. 679
Die RL (EU) 2019/1995 stellt eine Ergänzung zu dem sog. Digitalpaket zur Modernisierung der Mehrwertbesteuerung des grenzüberschreitenden Onlinehandels in Form der RL Richtlinie (EU) 2017/2455 dar. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Klärung rechtlicher Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Einbezug elektronischer Plattformen in die mehrwertsteuerliche Leistungskette ergeben, sowie auf der Schaffung detaillierter Bestimmungen für die Anwendung des One-Stop-Shops. Hinsichtlich der Plattformregelung wurde die Zuordnung der bewegten Lieferung in der Lieferkette geregelt sowie eine Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug für die vorangehende fingierte Lieferung des Drittlandunternehmers geschaffen.
Rz. 680
Nach Art. 14a MwStSystRL i. d. F. der RL 2017/2455 werden Steuerpflichtige, die durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Einzelwert von nicht mehr als 150 EUR unterstützen oder die Lieferung von Gegenständen innerhalb der Gemeinschaft durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen an einen Nichtsteuerpflichtigen unterstützen (Online-Marktplatzbetreiber), so behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Da mit Art. 14a MwStSystRL eine einzige Lieferung von Gegenständen in zwei Lieferungen aufgeteilt wird, musste noch festgelegt werden, welcher dieser Lieferungen die Versendung oder Beförderung der Gegenstände zugeschrieben wird, um den Ort der Lieferung ordnungsgemäß zu bestimmen. Außerdem musste sichergestellt werden, dass der Steuertatbestand in Bezug auf diese beiden Lieferungen gleichzeitig eintritt. Demzufolge regelt Art. 36b MwStSystRL, für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger gemäß Art. 14a MwStSystRL so behandelt wird, als ob er Gegenstände erhalten und geliefert hätte, dass die Versendung oder Beförderung der Gegenstände der Lieferung durch diesen Steuerpflichtigen zugeschrieben wird (sog. bewegte Lieferung).
Rz. 681
Art. 66a MwStSystRL in seiner Neufassung regelt in diesem Zusammenhang, dass abweichend von den Art. 63, 64 und 65 MwStSystRL der Steuertatbestand und der Steueranspruch in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen, der nach Art. 14a MwStSystRL behandelt wird, als ob er diese Gegenstände erhalten und geliefert hätte, sowie in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen an diesen Steuerpflichtigen zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Zahlung angenommen wurde. Hier wird also ein Istversteuerungstatbestand (Steuerentstehung mit Vereinnahmung des Entgelts) angenommen.
Rz. 682
Da Betreiber von elektronischen Marktplätzen die durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle die Lieferung von Gegenständen an einen Nichtsteuerpflichtigen in der Gemeinschaft unterstützen, nach den allgemeinen Vorschriften die an nicht in der Gemeinschaft ansässige Zulieferer entrichtete MwSt als Vorsteuer abziehen könnten, bestand das Risiko, dass die Lieferer aus dem Drittland die MwSt auf ihrer Ausgangsseite (die sie dem Marktplatzbetreiber in Rechnung stellen müssten) möglicherweise nicht an den Fiskus abführen. Um dieses Risiko zu vermeiden, wurde die Lieferung des Lieferers, der Gegenstände durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle (fiktiv an den Marktplatzbetreiber) verkauft, steuerfrei gestellt, und der Lieferer hat das Recht auf Abzug der Vorsteuer, die er für den Kauf oder die Einfuhr der gelieferten Gegenstände entrichtet hat. Für diese Zwecke soll der Lieferer stets in dem Mitgliedstaat registriert sein, in dem er die Gegenstände erworben oder in den er sie eingeführt hat. Hierfür regelt Art. 136a MwStSystRL: Wird ein Steuerpflichtiger gemäß Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL behandelt, als ob er Gegenstände erhalten und geliefert hätte (also der Marktplatzbetreiber), befreien die Mitgliedstaaten die Lieferung dieser Gegenstände an diesen Steuerpflichtigen von der Steuer. Entsprechend ist nach der Neufassung von Art. 169 Buchst. b MwStSystRL das Vorsteuerabzugsrecht bezüglich der dort genannten Ausgangsumsätze auf nach Art. 136a MwStSystRL steuerfreie Umsätze ausgedehnt worden. Hinsichtlich der Registrierung ist Art. 204 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL neu gefasst worden.
Rz. 683
Um Kohärenz im Hinblick auf die Entrichtung der MwSt und der Einfuhrabgaben bei der Einfuhr von Waren zu gewährleisten, musste die Frist für die Entrichtung der MwSt bei der Einfuhr an die Zollbehörden an die in Art. 111 der VO (EU) Nr. 952/2013 festgelegte Frist für Zölle angepasst werden, wenn die Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der MwSt bei der Einfuhr in Anspruch genommen werden. Dementsprechend wurden die Art. 369a – 369g und Art. 369zb Abs. 2 MwStSystRL als Teile der One-Shop-Stop-Regelung für innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen, für Lieferungen von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats über eine entsp...