Rz. 1199
Die EU-Kommission hat am 17.5.2023 dem Rat einen Vorschlag zur Änderung der MwStSystRL in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für Steuerpflichtige, die Fernverkäufe eingeführter Waren erleichtern, und die Anwendung der Sonderregelung für Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Waren sowie Sonderregelungen für die Anmeldung und Zahlung von EUSt vorgelegt.
Die vorliegende Initiative ist zusammen mit dem Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des EP und des Rates zur Schaffung des Zollkodex der Union, des Zolldaten-Hubs der EU und der Zollbehörde der EU sowie zur Aufhebung der VO (EU) 952/2013 ("UZK-Überarbeitung") und dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der VO (EG) Nr. 1186/2009 des Rates v. 16.11.2009 zur Einführung eines Gemeinschaftssystems für Zollbefreiungen und der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates v. 23.7.1987 zur zolltariflichen und statistischen Nomenklatur sowie zum Gemeinsamen Zolltarif, Teil einer breiten und umfassenden Reform der Zollunion.
Auf der Importseite bestand eines der Hauptziele des zum 1.7.2021 in Kraft getretenen E-Commerce-Pakets für den elektronischen Handel darin, gleiche Wettbewerbsbedingungen für in der EU ansässige Lieferanten zu schaffen, indem verzerrende Vorschriften angegangen wurden, die zu Wettbewerbsproblemen auf dem E-Commerce-Markt führten. Die Mehrwertsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen bis 22 EUR wurde abgeschafft. Damit ist seither auf alle aus einem Drittland oder Drittgebiet nach Europa eingeführten Handelswaren unabhängig von ihrem Wert MwSt zu entrichten.
Mit der Abschaffung der 22-EUR-Schwelle führte das E-Commerce-Paket eine Reihe von Vereinfachungen ein, um den Compliance-Aufwand für Händler zu verringern, die Fernverkäufe importierter Waren in die EU tätigen. Allerdings beschränkte sich der Anwendungsbereich dieser Vereinfachungen auf Einfuhren mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR.
Eine der Vereinfachungen ist der Import One-Stop Shop (IOSS), der allerdings nur für Fernverkäufe importierter Waren mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR zur Verfügung steht (da mit dem E-Commerce-Paket die Zollbefreiungsschwelle von 150 EUR nicht abgeschafft wurde). Händler, die sich für die Nutzung des IOSS entscheiden, müssen sich nicht in jedem Mitgliedstaat, in dem ihre berechtigten Lieferungen importierter Waren an Verbraucher erfolgen, für die MwSt registrieren lassen. Wenn der IOSS verwendet wird, wird die auf diese Lieferungen geschuldete MwSt im Voraus zum Zeitpunkt der Lieferung erhoben, was bedeutet, dass die MwSt nicht zum Zeitpunkt der Einfuhr erhoben werden muss. Für Waren mit einem Sachwert über 150 EUR gilt jedoch eine andere Regelung, da bei solchen Fernverkäufen importierter Waren zum Zeitpunkt der Einfuhr EUSt anfällt (die MwSt wird nicht im Voraus erhoben).
Rz. 1200
Der Vorschlag zur Reform der Zollbestimmungen enthält eine klare Begründung für die Streichung des Schwellenwerts von 150 EUR, der derzeit die Anwendung des IOSS auf Fernverkäufe importierter Waren im Sachwert von höchstens 150 EUR beschränkt.
Mit diesem Zollreformvorschlag wird das Konzept eines "mutmaßlichen Importeurs" eingeführt, der jede Person ist, die am Fernabsatz von Waren beteiligt ist, die aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführt werden sollen, und die zur Nutzung des IOSS berechtigt ist. Für diese Personen entsteht eine Zollschuld, wenn die Zahlung für den Fernabsatz angenommen wird, und sie können bei der Ermittlung des entsprechenden Zollwerts eine "vereinfachte Zollbehandlung für Fernabsätze" anwenden.
Im Rahmen der vereinfachten Zollbehandlung kann der mutmaßliche Importeur einen der "Eimer"-Tarife auf den Zollwert anwenden. Der mutmaßliche Importeur verfügt daher über alle erforderlichen Informationen, einschließlich der aufgrund der Einfuhr fälligen Zölle, um die Bemessungsgrundlage, auf die MwSt anzuwenden ist, ordnungsgemäß zu berechnen. Daher sei es nach dem vorliegenden Richtlinienvorschlag, so die EU-Kommission, angebracht, die MwStSystRL zu ändern, indem der für den IOSS geltende Schwellenwert von 150 EUR gestrichen wird.
Rz. 1201
Darüber hinaus zielt der vorliegende Richtlinienvorschlag darauf ab, den Compliance-Aufwand für Händler, die importierte Waren im Fernabsatz verkaufen, weiter zu verringern, indem auch die als "Sonderregelungen" bezeichneten Vereinfachungen ausgeweitet werden. Wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, ermöglichen die Sonderregelungen Postbetreibern, Expressdienstleistern, Zollagenten und anderen Beteiligten, die die Zolleinfuhranmeldungen im Namen des Kunden abgeben, die auf diese Einfuhren erhobene MwSt monatlich zu deklarieren und abzuführen. Die Sonderregelung stellt eine fakultative Vereinfachung dar und gilt unter Auflagen für die Einfuhr von Waren mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR, ausgenommen verbrauchsteuerpflichtige Waren. Mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag soll auch die derzeit für die Sonderregelung geltende 150-EUR-Grenze abgeschafft ...