Rz. 46
Wenn andere Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen, ist das FA nach § 25e Abs. 4 S. 1 UStG berechtigt, dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle (des elektronischen Marktplatzes) mitzuteilen, dass der liefernde Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt. Es handelt sich hierbei um eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Nach der Gesetzesbegründung stehe das Steuergeheimnis der Mitteilung daher nicht entgegen.
Rz. 47
Ziel der Vorschrift ist es, neben der ordnungsgemäßen Registrierung als Unternehmer oder Privatperson auf einem elektronischen Marktplatz auch die zutreffende bzw. richtige Umsatzbesteuerung der erbrachten Umsätze sicherzustellen.
Rz. 47a
Als umsatzsteuerliche Pflichtverletzungen, die die behördliche Offenbarung nach § 25e Abs. 4 UStG auslösen, kommen insbesondere Pflichtverletzungen in Betracht, die im behördlichen Wahrnehmungsbereich liegen und für den Betreiber regelmäßig ohne Offenbarung nicht erkennbar sind. Dazu gehören insbesondere:
- Abgabe unrichtiger Umsatzsteuer-Voranmeldungen/Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr,
- Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen/Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr,
- Nichtzahlung oder nicht vollständige Zahlung fälliger Umsatzsteuerbeträge oder
- Nichtbenennung eines Empfangsbevollmächtigten im Inland nach § 22f Abs. 1 S. 2 UStG.
Rz. 48
Dem Betreiber des elektronischen Marktplatzes wird in diesen Fällen von dem nach § 21 AO für den Lieferer örtlich zuständigen FA eine ausreichend bemessene Frist gesetzt und die Möglichkeit eingeräumt, dafür Sorge zu tragen, dass der betreffende Unternehmer über seinen Marktplatz keine entsprechenden Umsätze mehr tätigen kann. Die Angemessenheit der Frist bemisst sich nach dem Einzelfall. Sie muss es dem Betreiber ermöglichen, den liefernden Unternehmer von der künftigen Marktnutzung auszuschließen (Sperrung aller bestehenden Accounts). Damit muss die Frist mindestens so lange bemessen sein, dass dem Betreiber genügend Zeit zur (vor allem technischen) Umsetzung verbleibt. Es entspricht dem Ziel der Norm, eine im regulären Geschäftsgang mögliche sofortige Reaktion des Betreibers zu erwirken. Deshalb braucht das FA die Frist nicht großzügiger als für diese Reaktion erforderlich zu bemessen.
Rz. 49
Kommt der Betreiber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nach, erfolgt nach § 25e Abs. 4 S. 3 UStG keine Inanspruchnahme des Betreibers. Kommt der Betreiber innerhalb der vom FA gesetzten Frist dieser Aufforderung nicht nach, haftet er für die entstandene und nicht entrichtete Umsatzsteuer des Lieferers aus den Umsätzen, die mittels seiner elektronischen Schnittstelle unterstützt wurden und bei denen das Rechtsgeschäft nach Zustellung der Mitteilung vom FA abgeschlossen wurde, ab dem Zeitpunkt der Mitteilung durch das nach § 21 AO zuständige FA. Dies gilt auch dann, wenn das nach § 21 AO für den Lieferer örtlich zuständige FA dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle mitgeteilt hat, dass die Tätigkeit des Lieferers im Rahmen eines Unternehmens erfolgt.
Rz. 50
Die Regelung gilt damit auch für Fälle, in denen sich ein Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 25e Abs. 3 S. 1 UStG nicht als Unternehmer auf dem Marktplatz hat registrieren lassen. Die bis zum Zugang der Mitteilung des Finanzamtes für entsprechende Umsätze entstandene Umsatzsteuer, die von dem betreffenden Unternehmer nicht an die Finanzverwaltung abgeführt wurde, muss insoweit bei diesem Unternehmer (Lieferer) auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Regelungen beigetrieben werden.
Rz. 51
Für den Fall der Mitteilung des Finanzamts an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle nach § 25e Abs. 4 S. 1 UStG schließt auch eine (frühere) Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des liefernden Unternehmers die Haftung nicht aus.