Leitsatz
1. Der Pächter von der Milcherzeugung dienenden Produktionsmitteln ist Milcherzeuger, wenn er die gepachteten Produktionsmittel selbstständig bewirtschaftet. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist eine im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der im Einzelfall festgestellten Tatsachen.
2. Bei kurzen Pachtzeiten kann die Annahme einer selbstständigen Bewirtschaftung mit Erfahrungssätzen unvereinbar sein.
Normenkette
§ 115 Abs. 2 Nr. 1, § 118 Abs. 2 FGO, Art.1, Art. 9 Buchst. c VO Nr. 3950/92
Sachverhalt
Ein Milcherzeuger hat seine Stallanlage einschließlich der dort aufgestellten Milchkühe am Ende des Milchwirtschaftsjahrs für sechs Tage an einen Nachbarn verpachtet, weil er befürchten musste, seine Referenzmenge zu überschreiten. Jener war zwar bis dahin kein Milcherzeuger, besaß aber eine ungenutzte Referenzmenge.
Das HZA hat den Kläger für die während der Pachtzeit erzeugte und gelieferte Milch als Erzeuger angesehen und die Milchabgabe gegen ihn festgesetzt. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem FG Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision nicht zugelassen. Er vermochte keine klärungsbedürftige Grundsatzfrage darin zu erkennen, ob bei so kurzer Verpachtung an einen Nicht-Erzeuger, der im Wesentlichen wie ein Stallknecht den Hof des Verpächters betreut, dessen Milcherzeugerschaft ohne Verstoß gegen revisible Beweiswürdigungsregeln angenommen werden kann.
Hinweis
Milcherzeuger ist, wer den Milch erzeugenden Betrieb oder die Produktionsmittel in eigener Verantwortung leitet und bewirtschaftet. Er muss nicht Eigentümer der Produktionsmittel sein, sondern kann sie auch gepachtet haben. Entscheidend ist allein, ob er die gepachteten Produktionseinheiten selbstständig und in eigener Verantwortung bewirtschaftet und dass die von ihm erzeugten Milchmengen ggf. eindeutig von den im eigenen Milchbetrieb erzeugten Milchmengen zu unterscheiden sind.
Das erfordert eine umfassende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls. Würdigungen dieser Art und die Subsumtion des Einzelfalls unter "Typus-Begriffe" wie Milcherzeuger (oder z.B. Arbeitnehmer, Pkw u.dgl.) – also tatbestandlich nicht scharf umrissene Begriffe, die durch eine Mehrzahl von Merkmalen beschrieben werden müssen –, sind grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten; seine Einordnung ist bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 1 FGO).
Dadurch hat sich der BFH freilich im Allgemeinen und mit Recht nicht gehindert gesehen, Beweiswürdigungsregeln aufzustellen und ggf. deren Beachtung im Revisionsverfahren nachzuprüfen.
Wäre es nicht eine vernünftige Beweiswürdigungsregel, dass die kurzzeitige Verpachtung an einen Nicht-Erzeuger, der lediglich die Produktion auf dem Hof des Verpächters betreut, nur bei Hinzutreten (vom Tatrichter anzugebender) außergewöhnlicher Umstände diesen zum Milcherzeuger macht? (Während er sonst wie im Streitfall ein als Pächter maskierter Stallknecht ist.)
Der BFH ist diesen Schritt nicht gegangen und hat gegenüber der FG-Entscheidung, die den Milcherzeugerbegriff ad absurdum führt und die Überprüfung von angeblichen Pachtverhältnissen zur Farce macht, nur mahnend in Erinnerung gerufen, dass bei noch kürzeren "Pachtzeiten" als sechs Tagen "die ... selbstständige Bewirtschaftung fremder Produktionsmittel durch einen Pächter von einer bloßen Aushilfe für einen kurzfristig an der Verrichtung der für die Milchproduktion erforderlichen Tätigkeiten verhinderten Erzeuger nicht mehr sicher unterschieden" werden könne. Immerhin oder doch zu kurz gegriffen?
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 4.12.2006, VII B 316/05