Die Selbstanzeige gem. § 371 AO ist für Selbstanzeigen ab 1.1.2015 ausgeschlossen, wenn der Steuervorteil (verkürzte Steuer) einen Betrag von 25.000 EUR je Tat übersteigt (zuvor lag die Schwelle bei 50.000 EUR). Dies ist eine Freigrenze und kein Freibetrag. Nicht geklärt ist, ob mit dem Begriff der "Tat" der materiell-rechtliche Tatbegriff (also der jeweilige Veranlagungszeitraum der Steuerart) oder die Summe aller Hinterziehungen (alle Jahre) gemeint ist. Nach wohl überwiegender Ansicht ist zugunsten des Steuerpflichtigen von dem materiell-rechtlichen Tatbegriff auszugehen, so dass pro Jahr die Schwelle überschritten sein muss. Die Selbstanzeige ist damit nach zutreffender (aber nicht abgesicherter) Auffassung nur für die Jahre ausgeschlossen, bei denen die Hinterziehung 25.000 EUR überschreitet. Es bleibt abzuwarten, ob nach Ansicht der Gerichte eine Selbstanzeige für alle Jahre der jeweiligen Steuerart gesperrt ist, wenn auch nur ein Jahr die Schwelle überschreitet (Frage der Infektionswirkung). Der Mandant sollte auf diese Ungewissheit hingewiesen werden.
Materiell-rechtlicher Tatbegriff
Mandant U hat die ESt 2015 i. H. v. 10.000 EUR und die ESt 2013 i. H. v. 16.000 EUR hinterzogen.
Lösung: Wird auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff abgestellt, so greift der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nicht ein. Wenn hingegen die Summe maßgebend sein soll, so ist die Selbstanzeige ausgeschlossen (10.000 EUR plus 16.000 EUR überschreitet 25.000 EUR). Wenn und soweit die Sperre gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO eingreift, kann sich U ggf. gem. § 398 a AO durch Zahlung eines Zuschlages von Strafverfolgung "freikaufen".
Infektionswirkung?
U hat die ESt 2014 i. H. v. 30.000 EUR und die ESt 2015 i. H. v. 10.000 EUR hinterzogen. Lösung: Wird auf den materiell-rechtlichen Tatbegriff abgestellt, so greift der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO jedenfalls für ESt 2013 nicht ein. Dies gilt aber nur, wenn die m. E. zutreffende – aber nicht abgesicherte – Ansicht unterstellt wird, dass die Sperre hinsichtlich ESt 2014 zu keiner Sperre bzgl. ESt 2015 führt (keine Infektionswirkung). Wenn und soweit hingegen eine Sperre gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO eingreift, kann sich U ggf. gem. § 398 a AO durch Zahlung eines Zuschlages von Strafverfolgung "freikaufen".
Allerdings soll es wohl eine Ausnahme von dem materiell-rechtlichen Tatbegriff geben, wenn Steuererklärungen einer Steuerart gleichzeitig abgegeben worden sind: Dann sollen nach dieser Ansicht ESt 2010 und 2011 zusammengerechnet werden. Dies soll nach dieser Ansicht auch gelten, wenn ESt, USt und GewSt 2010 zusammen abgegeben worden sind und insgesamt die Schwelle überschreiten (in dieser Weise könnte der BGH in seinem Beschluss v. 15.12.2011, NJW 2012 S. 1015 zu verstehen sein).
Kompensationsverbot
Nach dem Wortlaut ergibt sich nicht eindeutig, ob zur Berechnung des Schwellenwertes von 25.000 EUR das sog. Kompensationsverbot gem. § 370 Abs. 4 AO Satz 3 AO anzuwenden ist. Verkürzt gesagt dürfen nach dem Kompensationsverbot Hinterziehungsbeträge nicht durch andere bestimmte in dieser Norm genannte Beträge gemildert (kompensiert werden), sodass der Hinterziehungsbetrag hoch bleibt. Zur Illustration soll folgendes Beispiel dienen, da insbesondere bei der USt dieses Kompensationsverbot eine wichtige Rolle spielen kann.
Sonderfall Umsatzsteuer
Da bei der USt bei strafrechtlicher Beurteilung das sog. Kompensationsverbot gem. § 371 Abs. 4 Satz 3 AO gilt, ist fraglich ob USt und Vorsteuer getrennt zu betrachten sind und sie jeweils die Schwelle von 25.000 EUR überschreiten. Dies ist jedenfalls die bisherige Ansicht vieler Ermittlungsbehörden, welche aber in der Literatur umstritten ist. Dies gilt auch für die Neuregelung seit 1.1.2015. Eine Saldierung geschieht demnach nicht. Das AG Stuttgart hat sich zu dieser Rechtsfrage geäußert und danach geschieht keine Saldierung (der Nominalbetrag entscheidet).AG Stuttgart v. 10.7.2013 – 23 Cs 147 Js 95252/12, NZWiSt 2014, 279.
Es bedeutet nach dem Wortlaut des Ausschlussgrundes gem. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auch keinen Unterschied, ob die USt oder Vorsteuer nur auf Zeit (z. B. wenn geplant ist, dass die Korrektur der USt-Voranmeldung schon wieder im nächsten Monat erfolgen soll) oder auf Dauer (endgültig) hinterzogen werden soll. Es wird allein auf den nominellen Betrag und nicht auf den wirtschaftlichen Schaden für den Fiskus) abgestellt, der bei einer Hinterziehung auf Zeit nur ein deutlich niedriger Zinsschaden wäre. Diese Betrachtung spielt nur für die Höhe der Strafzumessung eine Rolle, nicht aber im Rahmen der Selbstanzeige.
Kompensationsverbot
U hat USt 2014 i. H. v. 100.000 EUR hinterzogen und Vorsteuer 2014 i. H. v. 80.000 EUR zu Unrecht geltend gemacht.
Lösung: Aufgrund des Kompensationsverbots können die 100.000 EUR nicht mit 80.000 EUR saldiert werden (20.000 EUR kleiner als 25.000 EUR). Vielmehr ist die Selbstanzeige gem. § 371 AO sowohl hinsichtlich der USt 2014 als auch der Vorst...