Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Anrechnung von Nebeneinkommen. ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungstag. punktuelle Abmeldung aus dem Leistungsbezug. Minderung der Anspruchsdauer
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich hat ein Arbeitsloser das Recht, sich ohne weitere Begründung aus dem Leistungsbezug abzumelden. Bezweckt er mit der punktuellen Abmeldung, sich hierdurch Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur oder bei Nichtwahrnehmung eines Arbeitsangebots dem drohenden Risiko des Eintritts einer Sperrzeit zu entziehen, verliert er aber nicht nur für den Tag ohne Arbeitsbereitschaft bzw Verfügbarkeit den Alg-Anspruch, sondern hat zusätzlich eine Minderung der Anspruchsdauer hinzunehmen (vgl LSG Essen vom 23.8.2010 - L 19 AL 136/10 = info also 2011, 176).
2. Es kann hier offen bleiben, ob § 46 SGB 1 einer punktuellen Abmeldung aus dem Leistungsbezug, die allein dazu dient, am Abmeldetag erarbeitetes Einkommen der Anrechnung zu entziehen, entgegensteht (vgl SG Berlin vom 20.7.2012 - S 58 AL 2708/12 = info also 2012, 212). Denn die Besonderheit, dass der Beschäftigungstag ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ist, schließt zum einen die Annahme aus, dass die Abmeldung zur Umgehung von § 155 SGB 3 erfolgt und kann zum anderen als wichtiger Grund iS von § 148 Abs 1 Nr 6 SGB 3 gewertet werden.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 2.8.2012, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.11.2012, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ohne Anrechnung von Einkommen aus dem Beschäftigungstag zu gewähren;
2. der Bescheid vom 12.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2012 wird aufgehoben
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung von Erwerbseinkommen.
Die Klägerin ist in einem seit 1979 bestehenden Arbeitsverhältnis als Bankangestellte tätig. Erstmals arbeitslos gemeldet hatte sie sich zum 1.1.2009, nach einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf eine 8,39 Stunden-Stelle (entspricht der Arbeitsleistung von einem Tag in der Woche). Die Beklagte hatte seinerzeit die Verfügbarkeit bejaht und Arbeitslosengeld ungekürzt bewilligt unter Abmeldung der Klägerin aus dem Leistungsbezug für den Tag der - sozialversicherungspflichtigen - Beschäftigung.
Seit Mai 2010 hatte die Klägerin ihre Arbeitszeit auf eine 20-Stunden-Woche ausgedehnt und war infolgedessen ganz aus dem Alg-Bezug ausgeschieden.
Eine neue Arbeitslosmeldung erfolgte zum 1.7.2012, nachdem der Arbeitgeber der Klägerin mitgeteilt hatte, dass eine Fortführung der Stelle mit der Arbeitszeit von 20 Stunden nicht mehr möglich sei. Die unbefristete Beschäftigung könne nur mit einer Kapazität von 23% der tariflichen Arbeitszeit (entspricht der Arbeitsleistung eines Wochentages) weitergeführt werden.
Das Verdient aus dem der Klägerin zur freien Disposition stehenden Einsatztag beträgt brutto 740,48 €, nach Abführung von Steuern und den Abgaben zu allen Zweigen der Sozialversicherung 621,69 €.
Die Beklagte bewilligte Alg ab 1.7.2012 unter Absetzung des Tagesverdienstes als Nebeneinkommen i. S. von § 155 SGB III (Bescheid vom 2.8.2012, Änderungsbescheid vom 12.11.2012).
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie einwandte, dass die Vergütung aus dem Einsatztag wegen einer Abmeldung aus dem Leistungsbezug für die Dauer dieses Beschäftigungstages kein Nebeneinkommen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2012 als unbegründet zurück; der Klägerin sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB X Nebeneinkommen zugeflossen, das nach Abzug der Werbungskosten und des Freibetrags vom Nettoentgelt auf das Alg angerechnet werden müsse (§ 330 SGB III). Zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch müsse § 155 SGB III so ausgelegt werden, dass Einkünfte aus Beschäftigungen unter 15 Stunden wöchentlich Nebeneinkommen sind.
Hiergegen richtet sich die am 28. November 2012 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend macht, wegen einer wirksamen Abmeldung aus dem Leistungsbezug, könne das Einkommen nicht auf das Alg angerechnet werden, wie dies schon in 2009 gehandhabt worden sei. § 155 SGB III beziehe sich nur auf Einkommen, das der Arbeitslose “während einer Zeit, für die ihm Arbeitslosengeld zusteht", erarbeitet habe.
Aus diesem Grund hat die Klägerin auch einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.11.2012, mit dem der angerechnete Tagesverdienst für die Monate Juli bis September zurückgefordert wird, mit Widerspruch und Klage (Widerspruchsbescheid vom 18.12.2012) angefochten.
Das Gericht hat beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2.8.2012, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.11.2012, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 z...