Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Anerkennung eines chronischen Müdigkeitssyndroms oder einer psychischen Beeinträchtigung als Folge einer Organspende. ursächlicher Zusammenhang. Vermutungsregelung des § 12a Abs 1 S 2 SGB 7. generelle Geeignetheit. allgemeine medizinische Lehrmeinung
Orientierungssatz
Die Vermutungsregelung des § 12a Abs 1 S 2 SGB 7 setzt voraus, dass nach dem Stand der allgemeinen medizinischen Lehrmeinung die Körperspende generell geeignet sei, den konkreten Spätschaden zu verursachen, was bei einer (Lebend) Nierenspende hinsichtlich eines geltend gemachten chronischen Müdigkeitssyndroms (CFS) nicht der Fall ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Kranken- und Verletztengeld.
Der 1963 geborene Kläger spendete seinem Bruder am 21.09.2011 eine Niere. Er erhielt daraufhin vom 20.09.2011 bis 18.12.2011 Krankengeld in Höhe von 100% seines Nettoarbeitsentgelts von der Beklagten, bei der er bis zum 31.10.2014 krankenversichert war. Der Bruder des Klägers war im Zeitpunkt der Spende bei der Beklagten gegen Krankheit versichert, er ist dies nach wie vor.
Vom 05.03.2012 bis 06.03.2012 war der Kläger wegen einer somatoformen Störung (ICD-10: F45.9), vom 27.03.2012 bis 10.04.2012 und vom 11.04.2012 bis 27.04.2012 wegen einer Neurasthenie (ICD-10: F48.0), vom 27.04.2012 bis 22.07.2012 wegen einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1) sowie einer generalisierten Angststörung (ICD-10: F41.1) und vom 14.08.2012 bis 02.09.2012 wegen einer mittelgradigen depressiven Episode und einer Panikstörung (ICD-10: F41.0) arbeitsunfähig erkrankt. Vom 06.05.2012 bis 22.07.2012 und vom 15.08.2012 bis 02.09.2012 erhielt der Kläger Krankengeld von der Beklagten in Höhe des Regelentgelts gemäß § 47 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Psychiaters und Psychotherapeuten Herrn B X vom 31.08.2012 beantragte der Kläger die Zahlung des Krankengeldes i.H.v. 100% des täglichen Nettoentgelts gemäß § 44a SGB V. Herr X führte aus, dass der Kläger seit dem 27.04.2012 in seiner ambulanten Behandlung sei. Nach den Angaben des Klägers bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Nierenspende und seinen Angst- und Panikattacken und den hiermit zusammenhängenden Beschwerden. Mittlerweile werde immer mehr berichtet, dass nach einer Nierenspende depressionsähnliche Beschwerden auftreten würden. Somit erscheine es nicht unwahrscheinlich, dass höchstwahrscheinlich zwischen der Spende und den jetzigen Beschwerden des Klägers ein kausaler Zusammenhang bestehe.
In einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme führte Dr. N vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Nierenspende und den jetzigen Beschwerden nicht festzustellen sei. Wenn die psychische Symptomatik bereits vorher bestanden hätte, wäre es gar nicht zur Nierenspende gekommen. Denn vor einer Lebendspende gebe es ärztliche und psychologische Gutachten bezüglich der psychologischen Belastbarkeit.
In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21.11.2012 führte Dr. T vom MDK aus, dass anhand der vorliegenden spärlichen medizinischen Unterlagen, insbesondere zur psychiatrischen Vorgeschichte, zu den konkreten Auswirkungen der psychischen Störung und zum Verlauf nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die Beschwerden ursächlich auf die Nierenlebendspende zurückzuführen seien. Ängstlich depressive Symptome seien auf psychiatrischem Gebiet häufige Beschwerden und hätten unterschiedliche Ursachen, könnten auch ohne äußeres Belastungsereignis auftreten.
Mit einem Bescheid vom 28.11.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab und berief sich zur Begründung auf die Ausführungen des MDK.
Dagegen legte der Kläger am 27.12.2012 Widerspruch ein.
In einem vom Kläger eingereichten Attest vom 29.01.2013 führte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Herr V N1 aus, dass bei dem Kläger eine somatoforme Störung und eine Anpassungsstörung bestünden. Es habe sich ergeben, dass nach diesen eher unpräzisen Anfangsdiagnosen spezieller von einer Herzphobie bzw. einer Herzneurose auszugehen sei. Diese ausgeprägte Störung stehe in engem Zusammenhang mit einer Lebendspende. Der Zusammenhang scheine nicht nur zeitlich exakt zu sein, sondern ursächlich. Hervorzuheben sei besonders, dass der Kläger in seiner Vorgeschichte ganz im Gegensatz zu anderen Angst- und Zwangspatienten noch nie Ansätze einer ähnlichen Symptomatik gehabt habe. Erst jetzt würden das Gebiet der Lebendspende und ihre Folgen bekannt und erforscht, man wisse wenig Gesichertes. Gerade deshalb erscheine ein ursächlicher Zusammenhang sehr wahrscheinlich.
In einem von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 20.03.2013 führte Dr. T (MDK) aus, dass zunächst die kardiale Diagnostik abgeschlossen werden müsse, bevor die Beschwerden auf die Nierenlebendspende...