Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung von heilfürsorgeberechtigten Personen durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung. Vereinbarung zur Sicherstellung ist öffentlich-rechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des Sozialrechts. Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung nach zivilrechtlichen Bestimmungen. Bemessung der Kündigungsfrist
Orientierungssatz
1. Nach § 75 Abs 3 S 1 SGB 5 kann die Erfüllung des "erweiterten" Sicherstellungsauftrages auch "auf andere Weise gewährleistet" werden. Eine darauf gestützte Vereinbarung zwischen zwei öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Regelung einzelner Bereiche des "erweiterten" Sicherstellungsauftrages (hier: Vereinbarung zur zahnärztlichen Versorgung von Heilfürsorgeberechtigten mit plastischen Füllungsmaterialien zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium des Innern vom 19.2.2010) ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des Sozialrechts zu qualifizieren.
2. § 59 SGB 10 verhält sich nicht, weder positiv noch negativ, zur Zulässigkeit der Kündigung eines sozialverwaltungsrechtlichen Vertrages im Übrigen (vgl BVerwG vom 29.12.2000 - 5 B 171/99).
3. Bei einem fortdauernden Sozialverwaltungsvertragsverhältnis, dh einem Dauerschuldverhältnis, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit einer Kündigung nach zivilrechtlichen Bestimmungen, die über die Verweisungsvorschrift des § 61 S 2 SGB 10 entsprechend gelten (vgl LSG Stuttgart vom 8.11.2006 - L 5 KA 3571/05). Dies ist für eine Kündigung aus wichtigem Grund § 314 Abs 1 BGB (vgl LSG München vom 22.2.2011 - L 12 KA 2/11 B ER und vgl LSG Stuttgart vom 8.11.2006 - L 5 KA 3571/05 aaO). Fehlen Vorschriften über ein ordentliches Kündigungsrecht und haben die Vertragsparteien - wie hier - die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen, sind die §§ 624, 723 BGB entsprechend anwendbar (vgl BGH vom 28.2.1972 - III ZR 212/70, vom 22.1.1987 - III ZR 67/86, vom 26.2.1987 - III ZR 164/85 und vom 25.5.1993 - X ZR 79/92).
4. Bei der Bemessung der Kündigungsfrist muss die Auswirkung auf den Vertragspartner angemessen beurteilt und berücksichtigt werden. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen ist eine lange Kündigungsfrist anzunehmen. Bei Dauerschuldverhältnissen vertrauen die Vertragsparteien auf eine lange Vertragsdauer, und das Vertragsverhältnis manifestiert sich durch jede über Jahre hinweg wiederholte Handlung (vgl LG Essen vom 24.11.2010 - 11 O 55/09).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 12.833,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Zahlungsansprüche aufgrund einer Vereinbarung.
Unter dem 19.02.2010 schlossen die beigeladene Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und das Bundesministerium des Innern (BMI) eine Vereinbarung zur zahnärztlichen Versorgung von Heilfürsorgeberechtigten mit plastischen Füllungsmaterialien folgenden Inhalts (im Weiteren: SDA-Vereinbarung):
Präambel: Nach den Richtlinien für die zahnärztliche Versorgung für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei hat die Versorgung von kariösen Defekten grundsätzlich mit plastischen Füllungsmaterialien zu erfolgen. Im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung möchte die Bundeswehr ihren Zeit- und Berufssoldaten diesbezüglich SDA-Füllungen zur Verfügung stellen. Hierzu vereinbaren die Vertragspartner folgende Regelung für die Restauration mit Composite bei Anspruchsberechtigen der unentgeltlichen truppenzahnärztlichen Versorgung
§ 1 Leistungsbeschreibung BwR 1 (HR 1): Restauration einer Kavität mit Composite in Schmelz-Dentin- Adhäsivtechnik, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, einflächig, 75 Punkte BwR 2 (HR 2): Restauration einer Kavität mit Composite in Schmelz-Dentin- Adhäsivtechnik, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, zweiflächig, 112 Punkte BwR 3 (HR 3): Restauration einer Kavität mit Composite in Schmelz-Dentin- Adhäsivtechnik, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, dreiflächig, 164 Punkte BwR 4 (HR 4): Restauration einer Kavität mit Composite in Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik, ggf. einschließlich Mehrschichttechnik, mehr als dreiflächig oder Eckenaufbau im Frontzahnbereich unter Einbeziehung der Schneidekante 208 Punkte § 2 Anspruchsberechtigung/Genehmigungspflicht Die Leistungen unterliegen keiner Genehmigungspflicht. ( )
§ 3 Abrechnung Die Leistungen werden nach beendeter Behandlung über die KZV abgerechnet.
Daraufhin änderte das BMI unter dem 27. April 2010 seine Richtlinien für die zahnärztliche Versorgung der heilfürsorgeberechtigten Polizeivollzugsbeamtin-nen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei dahin, dass unter Punkt II. (Ergänzungen/Abweichungen) eine neue Ziffer 8. aufgenommen wurde: Com...