Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Parodontose-Behandlung. Maßgeblichkeit der im streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Parodontose-Richtlinie. Röntgenbefund. Erforderlichkeit der aktuellen auswertbaren Röntgenaufnahmen. Abweichung im Einzelfall. Begründung in der zahnärztlichen Dokumentation
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Parodontose-Behandlung ist nicht auf die aktuellste, sondern auf die im streitgegenständlichen Zeitraum gültige Parodontose-Richtlinie abzustellen. Diese ist als untergesetzliche Norm für die Beteiligten verbindlich.
2. Soweit nach den Vorgaben der Parodontose-Richtlinie der Röntgenbefund aktuelle (in der Regel nicht älter als sechs Monate) auswertbare Röntgenaufnahmen erfordert, zeigt bereits der Zusatz "in der Regel", dass hiervon im Einzelfall abgewichen werden kann. Hierfür bedarf es aber der einzelfallbezogenen Begründung des Ausnahmefalls in der zahnärztlichen Dokumentation.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 2) zu tragen. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Abrechnung systematischer PAR-Behandlungen in einem Behandlungsfall im Mai 2021.
Der Kläger ist vertragszahnärztlich tätig mit einer Praxis in A-Stadt.
Die DAK-Gesundheit stellte mit Schreiben vom 18.01.2022 einen Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung bei der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen (im Folgenden nur Gemeinsame Prüfungsstelle) für den Zeitraum 01.04.2021 bis 30.06.2021. Den Antrag begründete sie damit, dass im Behandlungsfall der H. F. die vertraglichen Regelungen nicht eingehalten worden seien. Entsprechend der Richtlinien Abschnitt B. V. 2 zur Parodontosebehandlung seien zur Anamnese und Diagnostik Röntgenaufnahmen erforderlich. Diese sollten in der Regel nicht älter als 6 Monate zum Zeitpunkt der Diagnostik sein. Ihre Feststellungen hätten ergeben, dass im Zeitraum von 18 Monaten vor Ausstellung des Behandlungsplanes keine Röntgenaufnahmen zur Abrechnung gebracht worden seien, so dass sie davon ausgehe, dass diese wesentliche Voraussetzung zur Durchführung einer regelgerechten Parodontosebehandlung nicht gegeben gewesen sei.
Die Gemeinsame Prüfungsstelle leitete den Antrag an den Kläger weiter und forderte Behandlungsunterlagen an.
Der Kläger teilte in einem kurzen Schreiben am 03.02.2022 mit, dass er zur Beantragung der (lokalen Zweit-) Parodontitisbehandlung der Patientin F., H. keine neuen/aktuellen Röntgenbilder angefertigt (Strahlenschutz!) habe und damit nicht richtlinienkonform gehandelt hätte. Dies habe allerdings weder auf die Notwendigkeit noch auf die ordnungsgemäße Durchführung der Parodontitistherapie einen Einfluss gehabt.
Eine weitere Stellungnahme reichte er am 21.03.2022 ein. Darin teilte er mit, dass er zur PAR-Therapie in o.g. Fall keine (neuen) Röntgenaufnahmen angefertigt hätte, da er keinen diagnostischen Informationsgewinn und schon gar keine therapierelevanten Informationen von neuen Röntgenaufnahmen erwartet hätte. Eine erfolgreiche erste PAR-Therapie sei in diesem Fall im Jahr 2004 durchgeführt worden. Im Rahmen des Recalls sei jährlich ein PAR-Befund erhoben worden, der über die Jahre jeweils eine stabile parodontale Situation wiedergespiegelt hätte. Im Zeitraum 2020-2021 hätten sich im Seitenzahnbereich Taschentiefen von 4 mm und an zwei Stellen von 5 mm entwickelt. Daher habe er sich zu einer zweiten, auf acht Seitenzähne begrenzten, PAR-Therapie entschlossen gehabt. Diese habe er, ohne erneutes Röntgen, nach Genehmigung durch die Krankenkasse im Mai 2021 lege artis durchgeführt. Für ihn hätte bezüglich der Anfertigung von (neuen) Röntgenbildern der Strahlenschutz (§ 83 Strahlenschutzgesetz), bei nicht zu erwartendem diagnostischem Informationsgewinn, im Vordergrund gestanden.
Die Gemeinsame Prüfungsstelle nahm mit Bescheid vom 03.08.2022 eine Honorarkorrektur in Höhe von 347,30 € vor und begründete diese damit, dass kein Röntgenbild angefertigt worden sei. Um aber eine genaue Diagnose bei der Befunderhebung erstellen zu können, seien neben dem PAR-Status unbedingt Röntgenaufnahmen erforderlich, die den gesamten Gebisszustand darstellen würden. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäߧ 91 Abs. 6 SGB V für die PAR-Behandlung würden als Grundlage für die Therapie aktuelle (in der Regel nicht älter als sechs Monate) auswertbare Röntgenaufnahmen gefordert (Punkt V.2), wobei stets die Gesamtsituation im Gebiss zu beachten sei (Punkt V.3). Ausnahmetabestände seien nicht vorgesehen. Ohne die Beurteilung der Knochensituation sei eine zielführende und auf Nachhaltigkeit ausgelegte Therapieplanung nicht möglich.
Im Behandlungsfall H. F. sei daher wie folgt abzusetzen gewesen:
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PAR-Status |
255 Pkte x 1,1773 € = |
300,21 € |
Anästhesien |
40 Pkte x 1,17... |