Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Klimaanlage. Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. keine therapeutische Sonderfunktion
Orientierungssatz
1. Eine Klimaanlage ist als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Eine an Anhidrose (stark verminderte bzw aufgehobene Schweißbildung) leidende Versicherte hat keinen Anspruch auf Versorgung als Hilfsmittel iSd § 33 Abs 1 S 1 SGB 5.
2. Ein Anspruch auf Versorgung besteht auch nicht aus dem Aspekt heraus, dass es sich bei der Klimaanlage für sie um ein Hilfsmittel mit Doppelfunktion handele.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einer Klimaanlage.
Die Klägerin leidet an einer Anhidrose (stark verminderte bzw. aufgehobene Schweißbildung). Sie beantragte am 22. April 2019 unter Beifügung eines Angebots der .. für eine Klimaanlage und entsprechende bauseitige Leistungen zu einem Preis von insgesamt 3.894,04 Euro vom 3. Dezember 2018 bei der Beklagten die Übernahme von Kosten für die Klimatisierung eines Raumes. Zur Begründung führte sie aus, dass Hitze für sie geradezu Horror sei. Ihr Blutdruck steige trotz regelmäßig eingenommenen Medikamenten. Linderung brächten nur kalte Kompressen um den Hals und um den Arm, kalte Fußbäder und ein Ventilator. Sie befürchte, dass sie bei heißen Temperaturen im Sommer einen Gehirnschlag erleiden würde. Dem Antrag legte sie eine Stellungnahme des Neurologen .. bei.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Juni 2019 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für die Versorgung mit einem Hilfsmittel nicht vorlägen.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 9. Juli 2019 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 2. September 2019 begründete. Da hohe Temperaturen im Sommer für sie unerträglich seien, müsse sie um 4 Uhr morgens aufstehen, um alle Fenster und Türen zu öffnen, damit die Temperatur in der Wohnung sinke. Ab 9 Uhr traue sie sich nicht mehr aus dem Haus. Ein Ventilator bringe zwar einen gewissen Kühleffekt, wirke aber nicht nach. Nachts erwache sie mit Herzrasen und Angstzuständen. Kalte Kompressen seien in der Nacht nicht praktikabel. Die Gabe von blutdrucksenkenden Medikamenten schaffe keine Abhilfe. Zusätzlich kämpfe sie mit den Auswirkungen ihrer chronisch lymphatischen Leukämie. Durch diese würden ihre Temperatur und ihr Blutdruck zusätzlich steigen. Sie habe das Gefühl innerlich zu verbrennen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2020 zurück. Die beantragte Klimaanlage sei ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sodass kein Anspruch der Klägerin auf entsprechende Versorgung durch die Beklagte bestünde.
Die Klägerin hat am 20. März 2020 Klage bei dem Sozialgericht Schleswig erhoben und verfolgt ihr Anliegen weiter. Sie behauptet, dass sie mit der Hilfe der Klimaanlage ihre Behinderung ausgleichen könne. Es sei zu berücksichtigen, dass es kein anderes Hilfsmittel gäbe, um die Behinderung auszugleichen. Die Krankheit sei sehr selten. Es müsse daher eine Einzelfallentscheidung erfolgen. Sie benötige lediglich einen klimatisierten Raum, in dem sie sich an sehr heißen Tagen, als Rückzugsort. Hilfsweise sei die Rechtsprechung für Hilfsmittel mit Doppelfunktion anzuwenden. Sie könne, vergleichbar mit Trägern von orthopädischen Schuhen, ohne diese besondere technische Einrichtung nicht menschenwürdig leben.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2020 zu verurteilen, sie mit einer Klimaanlage zur Klimatisierung eines Raumes ihrer Wohnung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Verwaltungsentscheidung für rechtmäßig. Die streitgegenständliche Klimaanlage sei ein gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand. Dass es keine andere Möglichkeit außer der Nutzung einer Klimaanlage für die Klägerin gäbe, führe nicht zu einer Leistungsverpflichtung der Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die auch Gegenstand der Entscheidungsfindung der Kammer waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 28. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Versorgung mit einer Klimaanlage zur Klimatisierung eines Raumes durch die Beklagte.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände ...