Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Rainer Bonn
1 Begriff und Wesen des Shareholder Value
Der Shareholder-Value-Ansatz stellt ein Konzept der modernen kapitalmarktorientierten Unternehmensführung dar, das in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Der Shareholder-Value-Ansatz ist ein angelsächsisch geprägtes Konzept der Unternehmensführung, das ein einheitliches Ziel in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns rückt: die kurz- und langfristige Steigerung des Wertes (Value) des Unternehmens für die Anteilseigner (Shareholder). Synonym wird häufig auch von der Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals gesprochen.
Zur Erreichung dieser Zielsetzung wird in der Regel ein Bündel von Strategien und operativen Maßnahmen vorgeschlagen. Hierzu gehören z. B.:
- die systematische Nutzung aller Möglichkeiten zur Kostensenkung und zur Ertragssteigerung im operativen Geschäft,
- die Konzentration auf solche strategischen Geschäftsfelder, die infolge bestehender oder zu erwerbender Kernkompetenzen Mehrwerte zu erzeugen in der Lage sind,
- das Financial Engineering in Bezug auf Kapitalstruktur und Ausschüttung sowie
- die Pflege der Beziehungen zu den Anteilseignern (Investors Relations) durch eine aussagekräftige finanzielle Berichterstattung und sonstige aktionärsfreundliche und vertrauensbildende Maßnahmen, die die langfristige Bindung des Aktionärs an das Unternehmen sicherstellen sollen.
Vor dem Hintergrund einer hohen Arbeitslosigkeit und einer angespannten Wirtschaftslage wird das Shareholder-Value-Konzept gelegentlich als ein einseitig kapitalistisch orientierter Ansatz der Unternehmenssteuerung kritisiert, dessen Kern nur auf Kosten der übrigen Anspruchsgruppen (z. B. Mitarbeiter, Kunden, Staat) realisiert werden könne. Diese Kritik ist allerdings viel zu einseitig und verkennt, dass Unternehmen, die den Shareholder-Value-Ansatz konsequent in ihrer Unternehmenspolitik umsetzen, deutlich innovativer und produktiver sind, mehr Arbeitsplätze schaffen und einen stärkeren Fokus auf die Kundenzufriedenheit legen als traditionell geführte Unternehmen.
2 Shareholder-Value-Management
Das Shareholder-Value-Management hat grundsätzlich das Ziel, den Shareholder Value eines Unternehmens zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist regelmäßig eine mehrstufige Vorgehensweise erforderlich.
- In einem ersten Schritt ist der aktuelle reale Marktwert des Unternehmens zu ermitteln. Während hierzu bei börsennotierten Aktiengesellschaften auf den Börsenkurs zurückgegriffen werden kann, ist die Wertbestimmung bei nicht börsennotierten Unternehmen deutlich schwieriger und nur in wenigen Fällen, z. B. kurz nach Übernahmeverhandlungen, problemlos möglich.
- Im zweiten Schritt muss der theoretische Unternehmenswert mithilfe geeigneter Berechnungsverfahren ermittelt werden. Im Rahmen des Shareholder-Value-Management kommen hierzu üblicherweise die Discounted-Cashflow-Verfahren zur Anwendung. Dabei können sich durchaus Differenzen zwischen dem realen Wert des Unternehmens und dem berechneten theoretischen Wert des Unternehmens ergeben. Übersteigt der berechnete Wert des Unternehmens den realen Wert, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Informationspolitik gegenüber den Investoren mit Mängeln behaftet ist.
- Im dritten Schritt sind die Wertsteigerungen zu quantifizieren, die durch unternehmensinterne und unternehmensexterne Maßnahmen erzielt werden können. Im Rahmen der internen Verbesserungsmöglichkeiten werden direkt die Treiber des Unternehmenswertes (z. B. Umsätze, Kosten, Investitionen, Zinsen, Kapitalstruktur) analysiert. Demgegenüber zielen die externen Maßnahmen auf die Frage ab, ob durch die Gestaltung der strategischen Geschäftsfelder (Verkauf oder Kauf von Unternehmensteilen) eine Wertsteigerung erreicht werden kann.
- Schließlich werden auf der vierten Stufe sämtliche Maßnahmen zusammengeführt und optimiert. Als Ergebnis folgt daraus der optimierte Unternehmenswert.
3 Berechnung des Shareholder Value
Der Shareholder Value wird in der Regel mithilfe der Discounted-Cashflow-(DCF-)Verfahren ermittelt. Diese Verfahren, die auf der klassischen Kapitalwertmethode basieren, errechnen den Unternehmenswert prinzipiell durch Abzinsung der prognostizierten Free Cashflows. Folgende Besonderheiten der DCF-Verfahren sind zu nennen:
- die Verwendung von zukünftigen Cashflows als Kapitalisierungsgröße,
- die kapitalmarktgestützte Bestimmung der Eigenkapitalkosten sowie
- die Einbeziehung des Restwerts am Ende des Prognosehorizonts.
Die Prognosegenauigkeit bei der Ermittlung der zukünftigen Free-Cashflows nimmt mit zunehmendem Zeithorizont ab, d. h., die künftigen Zahlungen können nur bis zu einem bestimmten Prognosehorizont hinreichend genau geschätzt werden. Dieser Prognosehorizont erstreckt sich in der Praxis üblicherweise auf einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren. Für die Zeit nach dem Prognosehorizont müssen pauschale Annahmen zur Bestimmung des "Restwerts" getroffen werden. Häufig wird dabei der letzte noch genau prognostizierbare Free Cashflow als konstanter Wert für den über den Prognosehorizont hinausgehenden Zeitraum angesetzt (Konzept der ewigen Rente). Dieser Restwert ist mit dem Kapitalkostensatz ...