Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität nicht nur unerlaubte Veranstaltungen eines Glückspiels, wenn sie durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei sind, sondern erst Recht auch erlaubte Veranstaltungen eines Glückspiels unter Beachtung von Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie steuerfrei sind.
Normenkette
§ 4 Nr. 12, § 15 Abs. 4 UStG 1980
Sachverhalt
Die Klägerin unterhielt einen Automatenaufstellbetrieb. Im Rahmen dieses Unternehmens stellte sie u.a. Geldspielautomaten in Gaststätten und Spielhallen auf. Im Gegensatz zum beklagten Finanzamt behandelte sie ihre Umsätze als steuerfrei i.S.d. § 4 Nr. 9 UStG unter Hinweis auf die Steuerfreiheit entsprechender Umsätze in öffentlichen Spielbanken.
Entscheidung
Unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH vom 11.6.1998 (Rs. C-283/95 – Fischer, UR 1998, 384) sieht es der BFH als ernstlich zweifelhaft an, dass unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität nur die Glücksspielumsätze in und von einer öffentlich zugelassenen Spielbank, nicht dagegen solche von Glücksspielautomaten in Gaststätten und Spielhallen steuerbefreit seien.
Hinweis
Der BFH hat in dem vorliegenden Beschluss abermals den Beweis angetreten, dass das nationale deutsche Umsatzsteuerrecht allein unter Beachtung der EU-rechtlichen Vorgaben der 6. EG-RL Bestand haben kann. Soweit nationale Normen den Regelungen der 6. EG-RL in der Auslegung und Interpretation des EuGH widersprechen, kann der Steuerpflichtige bei einer ihn begünstigenden Regelung in der 6. EG-RL sich direkt und unmittelbar auf die Richtlinienbestimmung berufen und das nationale Recht außer Betracht lassen.
Die Anwendung von Befreiungstatbeständen beurteilt der EuGH dabei sehr restriktiv, d.h. der Anwendungsbereich des Art. 13 der 6. EG-RL, der die Befreiungstatbestände regelt, wird vom EuGH sehr eng ausgelegt. Trotzdem sieht es der BFH als ernstlich zweifelhaft an, dass der Grundsatz der Neutralität eine Differenzierung zwischen erlaubtem Glücksspiel in einer öffentlich zugelassenen Spielbank und einem erlaubten Glücksspiel außerhalb der Spielbanken zulässt. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG stellt nur die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden und die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei. Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 11.6.1998 (Rs. C-283/95 – Fischer, UR 1998, 384) meldet der BFH europarechtliche Bedenken an der Kompatibilität von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL an.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der BFH im Hauptsacheverfahren dem EuGH die Frage vorlegen wird, ob nicht auch die an normalen Glücksspielautomaten getätigten Umsätze steuerfrei sein müssen. Der Finanzminister wird mit Bangen dem Verfahren entgegensehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 30.11.2000, V B 187/00