Zusammenfassung
Die Digitalisierung hat die Steuerberatung fest im Griff. Wo manuelle Tätigkeiten entfallen, entstehen neue Aufgaben und Betätigungsfelder für Steuerberater. Digitale Vorreiter der Branche haben sich auf die Entwicklung bereits eingestellt. Karsten Zunke, Fachjournalist Digitalisierung aus Berlin, befragte hierzu einige Digitalisierungsexperten aus der Steuerberater-Branche.
Wer sich als Steuerberater aktiv neue Beratungsfelder erschließt, hat gute Chancen, aus der Digitalisierung als Sieger hervorzugehen.
"Ich digitalisiere meine Mandanten, ob sie wollen oder nicht"
"80 Prozent des klassischen Buchungsgeschäftes werden im Zuge der Digitalisierung wegfallen", ist Steuerberater Axel Bahr aus dem nordrhein-westfälischen Gevelsberg überzeugt. Angst macht ihm das nicht, im Gegenteil: Sein Mandantenkreis erweitert sich durch die Digitalisierung; die frei werdende Zeit nutzt er für bessere Beratung – auch für die Prozesse seiner Mandanten, die oft alles andere als digital sind. "In vielen Unternehmen ist die Digitalisierung noch nicht angekommen. Es fehlt der berühmte Ruck, der durch die Gesellschaft gehen muss", sagt Bahr. Viele Firmen und auch Steuerberater seien bisher sehr zögerlich in Bezug auf Digitalisierungsprojekte, "weil unsere Gesellschaft stark darauf ausgelegt ist, als erstes potenzielle Grenzen und Risiken aufzuzeigen, statt die Chancen beim Schopfe zu packen", sagt Bahr.
Der Digitalisierungsexperte hält Vorträge und Seminare zur Digitalisierung; erst kürzlich wurde seine Kanzlei von der DATEV offiziell als "digitale Steuerkanzlei" ausgezeichnet. Er gehört nicht zu den zögerlichen Vertretern seiner Branche. "Ich digitalisiere meine Mandanten, ob sie wollen oder nicht", sagt Bahr. Grund dafür ist auch eine zuvor gemachte Erfahrung. Als er versuchte, mit Hilfe seiner Mitarbeiter seinen Mandanten Digitalisierungsprojekte schmackhaft zu machen, stellte sich schnell heraus, dass er sich somit in eine Verkäuferrolle bewegen würde – das kam weder bei den Mitarbeitern noch bei den Mandanten an. Heute hat Bahr den Spieß umgedreht: In der Kanzlei wurde eine Scann-Station angelegt. Kommt der Mandant mit seinem Pendelordner in die Kanzlei, werden die Belege eingescannt. Bei dieser Gelegenheit kommt man ins Gespräch und kann bei Mandanten das Interesse wecken. Der Schritt, um nun über die Digitalisierung von weiteren Prozessen zu reden – die beiden Seiten die Arbeit erleichtern sowie Zeit und Kosten sparen – ist dann nur noch ein kleiner.
Steuerberater: Daten-Drehscheibe und Digitalisierungsexperte
Grundsätzlich gibt es aus Sicht von Bahr zwei Möglichkeiten, wie sich Steuerberater mit Beratungsangeboten rund um die Digitalisierung positionieren können: im nachgelagerten oder im vorgelagerten Bereich. Im nachgelagerten Bereich geht es vor allem um Planzahlen, Unternehmensberatung und Prognosen auf Basis aktueller Zahlen. Bahr hat sich für den vorgelagerten Bereich entschieden und berät seine Mandanten heute auch dazu, wie sie ihre Geschäftsprozesse digitalisieren können. Gleichzeitig sieht er sich als "Daten-Drehscheibe" zu seinen Mandanten. Viele Unternehmer erledigen ihre Buchhaltung mit eigenen Lösungen, schrecken aber davor zurück, sie selbst ans Finanzamt zu übermitteln. Steuerberater können hier als Schnittstelle fungieren, in Echtzeit über ein entsprechendes Log-in einen Blick auf die Daten werfen und bei Bedarf korrigierend eingreifen. Sind keine Korrekturen nötig, hat der Mandant trotzdem ein gutes Gefühl, weil der Steuerberater die Richtigkeit seiner Angaben überwacht hat.
Manche Mandate könnte Bahr ohne Digitalisierung heute gar nicht annehmen, beispielsweise das in seiner Region vertretene Unternehmen mit der finnischen Geschäftszentrale, oder seine Firmenkunden aus Amerika. Ohne Internet, E-Mail und digitaler Buchungsplattform wären solche internationalen Mandate für seine 17-köpfige Kanzlei kaum zu stemmen.
Steuererklärung für Influencer und Bitcoin-Miner
Gleichzeitig bringt die Digitalisierung auch auf ungewohnten Feldern einen steuerlichen Beratungsbedarf mit sich, den es so vor zehn Jahren noch nicht gab: Beste Beispiele sind Influencer und Kryptowährungen. "Wir haben Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet", erklärt Danilo Hergt, Steuerberater bei der Ronald Enke Steuerberatungsgesellschaft im thüringischen Jena. Noch immer seien viele Mandanten überrascht, dass sie ihre Gewinne aus Bitcoin-Verkäufen in der Steuererklärung angeben müssen. Die steuerliche Behandlung ist jedoch ähnlich wie bei Rohstoffgeschäften. Auch das Mining von Kryptowährungen wirft steuerrechtliche Fragen auf.
Steuerberater Danilo Hergt
Zitat
Wir haben Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet
Aber nicht nur Privatpersonen wenden sich an die Kanzlei, auch Unternehmen haben Beratungsbedarf. "Hierbei handelt es sich vor allem um IT-Firmen, die sich beispielsweise ausländische Aufträge in Bitcoins bezahlen lassen", sagt Hergt, der selbst jahrelang in der IT-Branche tätig war. Eine hilfreiche Voraussetzung, um sich solchen neuen Themen zu widmen. "Man muss viel Wissen und Interesse für dieses Nischenthema mitbringen", sagt Hergt. Ein Nischenthema, das sich rasant entwickelt. Der Gesetzgeber hält mit dieser Gesc...