Leitsatz
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags bei Fehlen gewerblicher Einkünfte ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist.
Normenkette
§ 3, § 4 SolZG, § 35, § 15, § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG, § 1 Abs. 5 Satz 1, § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG, Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG
Sachverhalt
Das FA setzte gegenüber den Klägern für das Streitjahr 2011 Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag fest. Einkünfte aus Gewerbebetrieb hatten die Kläger nicht erzielt. Einspruch und Klage begründeten die Kläger damit, dass die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG dazu führe, dass die so geminderte Einkommensteuer ihrerseits Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags sei. Dies führe zu einer Begünstigung von Gewerbetreibenden beim Solidaritätszuschlag.
Nachdem die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.4.2014, 13 K 1894/13, Haufe-Index 8515793) die Klage abgewiesen hatte, haben die Kläger ihr Begehren mit der Revision weiterverfolgt. Der angefochtene Bescheid verstoße gegen das Gebot der horizontalen Steuergerechtigkeit. Hätten sie – die Kläger – nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, wäre der Solidaritätszuschlag niedriger ausgefallen. Diese Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. § 3 SolZG ist im Zusammenhang mit § 35 EStG nicht verfassungswidrig.
Die Erhebung eines Solidaritätszuschlags ist dem Grunde nach auch im Streitjahr 2011 verfassungsgemäß.
Die aufgrund § 3 SolZG und § 35 EStG auftretenden Belastungsunterschiede zwischen Steuerpflichtigen, die der Gewerbesteuer unterliegen, und denjenigen, die andere Einkünfte in gleicher Höhe erzielen, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Solidaritätszuschlag stellt lediglich einen prozentualen Aufschlag auf die Einkommensteuer dar. Er bildet bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb dieselbe hebesatzabhängige Kurve wie die Einkommensteuer. Es kommt daher auch hinsichtlich des Solidaritätszuschlags zu Belastungsdifferenzen zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb und anderen Einkünften.
Bei der Gesamtbelastung entsteht für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb eine Kurve, die bei einem Hebesatz von 200 % zunächst fällt und dann bei einem Hebesatz von 380 % ihren Tiefpunkt erreicht, um von diesem an mit dem Hebesatz wieder kontinuierlich zu steigen.
Die durch § 3 SolZG und § 35 EStG in der Hebesatzzone unter 400,9 % bewirkte Begünstigung der Gewerbesteuerpflichtigen beim Solidaritätszuschlag ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Im Bereich des Steuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Wesentlichen durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Im Massenverfahren ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle auf der Grundlage von generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen zu behandeln. Nach diesen Maßstäben ist die partielle Begünstigung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht verfassungswidrig.
Gerade im Hinblick darauf, dass die Belastungsungleichheit nicht einseitig ist, sondern sich bei dem Grenzwert-Hebesatz von 400,9 % umgekehrt, ist das Regelwerk mit dem Gebot der Folgerichtigkeit noch zu vereinbaren.
Hinweis
Der Besprechungsfall handelt von einer "Besserstellung" der Bezieher gewerblicher Einkünfte im Hinblick auf die Belastung mit dem Solidaritätszuschlag.
1. Die Regelung in § 35 EStG enthält für die Einkommensteuer eine Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (vgl. BFH, Urteil vom 20.3.2017, X R 62/14, BFH/NV 2018, 108, Rz. 24 ff.). Sie kompensiert die Belastung mit Gewerbesteuer durch (partielle) Anrechnung auf die Einkommensteuer.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), um das 3,8-fache des jeweils für den – dem Veranlagungszeitraum entsprechenden – Erhebungszeitraum festgesetzten Gewerbesteuer-messbetrags. Nach der Formel in § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG begrenzt der Ermäßigungshöchstbetrag die Entlastung durch anteilige Zurechnung der Einkommensteuer auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des betreffenden Steuerpflichtigen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ist der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt.
2. Gemäß § 3 Abs. 2 SolZG ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer. Der Solidaritätszuschlag ist damit nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZGFolgesteuer zu der als Maßstabsteuer dienenden Einkommensteuer (vgl. BFH, Urteil vom 27.1.2011, III R 90/07, BFHNV 2011, 1066, BStBl II 2011, 543, BFH/PR 2011, 284, Rz. 14).
3. Diese Systematik hat zur Folge, dass die Steuerermäßigung nach § 35 EStG letztlich auch zu einer Verminderung des Solidaritätszuschlags führen kann. Kompensationen wie für an...