Rz. 3
Mit Satz 1 der Vorschrift wird vorgegeben, dass die Krankenkassen oder ihre Landesverbände gemeinsam und einheitlich auf Antrag des jeweiligen Bundeslandes mit dem Land sowie mit einer hinreichenden Anzahl von geeigneten Einrichtungen, z. B. Krankenhäusern oder Ärztinnen und Ärzten, Verträge über die vertrauliche Spurensicherung schließen. Aus der Formulierung "schließen" wird deutlich, dass der auf Landesebene vorzunehmende Vertragsabschluss für die Krankenkassenseite bindend ist.
2.1 Vertragspartner
Rz. 4
Die Initiative zum Zustandekommen des Vertrages über die vertrauliche Spurensicherung geht nach Abs. 1 Satz 1 vom jeweiligen Land aus, welches ggf. den Antrag auf Abschluss des Vertrages bei den im Land vertretenen Krankenkassen oder deren Landesverbände stellt. Ob ein Antrag gestellt oder nicht gestellt wird, entscheidet das Land selbst.
In Hessen z. B. plant die Landesregierung die Umsetzung entsprechend der Gesetzeskonstruktion. Bisher ist der Vertrag aber noch nicht zustande gekommen. Bis zur vertraglichen Regelung über die Erbringung der vertraulichen Spurensicherung zwischen dem Land Hessen und den Krankenkassen wurde für die Übergangszeit ab 2020 die Fallpauschalen-Regelung in Hessen erstmalig eingeführt, um die beteiligten Kliniken und die Gewinnung neuer Kliniken für das seit mehr als 10 Jahren laufende Modell "Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung" zu unterstützen. Die Mittel hierfür stellt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration aus dem Haushaltsprodukt Nr. 41 (Gesundheitliche Versorgung von Gewaltopfern) zur Verfügung.
Die Krankenkassenseite handelt bei dem für sie verpflichtenden Vertrag einheitlich und gemeinsam. Eine Differenzierung nach Kassenarten würde beim Vertrag zur vertraulichen Spurensicherung ohnehin keinen Sinn ergeben, weil inhaltlich der niederschwellige Zugang zur Beweissicherung vertraglich zu regeln ist bzw. eine betroffene Person bei jeder Krankenkasse (Ersatzkasse) bzw. Mitgliedskasse eines vertragschließenden Landesverbandes versichert sein könnte bzw. die Leistungen der vertraulichen Spurensuche mit der zuständigen Krankenkasse abzurechnen sind. Nach § 211a sollen sich die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen über die von ihnen nach diesem Gesetz gemeinsam und einheitlich zu treffenden Entscheidungen einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt die Beschlussfassung durch je einen Vertreter der Kassenart, dessen Stimme mit der landesweiten Anzahl der Versicherten nach der aktuellen Statistik KM 6 zu gewichten ist. Die einfache Mehrheit entsprechend der Stimmenanteile gibt dann den Ausschlag.
Vertragspartner der Krankenkassenseite sind zum einen das Land sowie zum anderen eine hinreichende Anzahl von geeigneten Einrichtungen oder Ärztinnen und Ärzten, die bereit und fachlich in der Lage sind, die Inhalte des Vertrages zur vertraulichen Spurensicherung umzusetzen. Zu den Einrichtungen können nach der Gesetzesbegründung insbesondere Krankenhäuser (z. B. solche mit Instituten für Rechtsmedizin) gehören, darüber hinaus aber auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen. Bei der Fachlichkeit kommt es insbesondere darauf an, dass für die Leistungsausführung die Erlangung und Pflege rechtsmedizinischer Kenntnisse im Hinblick auf die Spurensicherung gegeben sind. Ob das Land und/oder die Krankenkassenseite ggf. mit Unterstützung der Landeskrankenhausgesellschaft oder der Landesärztekammer die geeigneten Einrichtungen bzw. Ärztinnen und Ärzte finden, geht aus der Vorschrift nicht hervor. In der Gesetzesbegründung ist lediglich ausgeführt, dass sicherzustellen ist, dass für die Betroffenen ein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht und Leistungserbringer in hinreichender Anzahl und in angemessener Zeit erreichbar sind.
2.2 Vertragsinhalt
Rz. 5
Nach Satz 2 der Vorschrift sind in den Verträgen insbesondere die Einzelheiten zu Art und Umfang der Leistungen, die Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung sowie die Vergütung und Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens zu regeln.
Die akute medizinische Versorgung nach sexueller Gewalt gehört bisher nicht zum standardisierten Bestandteil der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten und weiteren Fachkräften im Gesundheitswesen. Standards und Richtlinien für die Versorgung bieten u. a. die WHO, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, aber auch Publikationen von rechtsmedizinischen Instituten an. Oberstes Gebot ist ein sensibles, empathisches aber trotzdem objektives und neutrales Vorgehen bei der Behandlung der Betroffenen.
Nach § 27 Abs. 1 i. d. F. v. 1.3.2020 gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein kö...