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Nach Satz 2 der Vorschrift sind in den Verträgen insbesondere die Einzelheiten zu Art und Umfang der Leistungen, die Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung sowie die Vergütung und Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens zu regeln.
Die akute medizinische Versorgung nach sexueller Gewalt gehört bisher nicht zum standardisierten Bestandteil der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten und weiteren Fachkräften im Gesundheitswesen. Standards und Richtlinien für die Versorgung bieten u. a. die WHO, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, aber auch Publikationen von rechtsmedizinischen Instituten an. Oberstes Gebot ist ein sensibles, empathisches aber trotzdem objektives und neutrales Vorgehen bei der Behandlung der Betroffenen.
Nach § 27 Abs. 1 i. d. F. v. 1.3.2020 gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können. Die Leistungen sind zwar Bestandteil des Anspruchs auf Krankenbehandlung, gehören aber rechtlich nicht zur vertragsärztlichen Versorgung. Nach Satz 3 der Vorschrift werden die Leistungen unmittelbar mit den Krankenkassen abgerechnet, wobei die Vergütung auch pauschaliert werden kann.
Im Bayerischen Ärzteblatt v. 4.12.2019 ist z. B. der Ablauf der vertraulichen Spurensicherung bei Opfern sexueller Gewalt wie folgt geschildert worden:
Mit den Betroffenen wird zunächst ein ausführliches Gespräch über das stattgefundene Delikt geführt. Je detailreicher eine Vorgeschichte erfolgt, umso besser kann mit den Betroffenen besprochen werden, wo am Körper welche Spuren gesichert werden können. Nach der Anamnese bespricht man mit Betroffenen die weiteren Untersuchungsschritte.
Es folgt i. d. R. eine körperliche und genitale Untersuchung (bei Gynäkologinnen und Gynäkologen auch gynäkologische Untersuchung). Dabei wird unabhängig von der Tathandlung der gesamte Körper schrittweise untersucht. Es ist darauf zu achten, dass nur jeweils die zu untersuchende Körperregion unbekleidet ist bzw. umgekehrt alle nicht zu untersuchenden Körperregionen bedeckt bleiben.
Eine Untersuchung sollte folgende Elemente beinhalten:
- komplette körperliche Untersuchung und Versorgung etwaiger Verletzungen,
- Erhebung der gynäkologischen Vorgeschichte und gynäkologisch/genitale Untersuchung,
- Dokumentation und Spurensicherung,
- Testung auf sexuell übertragbare Krankheiten und Postexpositionsprophylaxe nach Abschätzung des Infektionsrisikos,
- Untersuchung auf möglichen Einfluss von Sucht- oder Betäubungsmittel,
- Beratung zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft,
- Hinweis auf nötige Kontrolluntersuchungen und Organisation eines Folgetermins,
- Prüfung des Schutzbedürfnisses sowie Vermittlung weiterer Hilfen.
Die genitale Untersuchung bei Vorliegen einer sexuellen Gewalttat erfolgt als Inspektion des äußeren Genitales auf dem gynäkologischen Stuhl ohne Verwendung von Instrumenten, allenfalls lediglich einem Wattetupfer zum Ausstreichen des Hymens. Liegen blutende Verletzungen vor oder befinden sich Gegenstände in der Vagina oder dem Anus, muss die genitale Untersuchung in einer gynäkologischen Klinik erfolgen.
Auch hier kann nach Absprache mit den Betroffenen nicht nur eine Dokumentation von Verletzungen in Wort, sondern auch in Bild erfolgen. Dies kann u,ter Umständen eine zweite Untersuchung verhindern. Bei einer gynäkologischen Untersuchung sollte weiterhin eine Untersuchung auf Infektions- und Geschlechtskrankheiten erfolgen sowie eine Beratung zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft. Das Schutzbedürfnis der Betroffenen soll geprüft werden und in Abhängigkeit von der psychischen Situation müssen Hilfen, wie z. B. Beratung und psychosoziale Begleitung durch den Frauennotruf, Überweisung in ein Frauenhaus, ggf. stationäre Aufnahme in eine Klinik und/oder ein psychiatrisches Konsil veranlasst werden.
Zur Dokumentation verwendet man einen Dokumentationsbogen, bei dessen Verwendung folgende Kriterien zu erfüllen sind:
- Standardisierte Dokumentation,
- Beweismittel in einem Strafverfahren,
- Gedächtnisstütze in einem späteren Gerichtsverfahren.
Jede Verletzung muss wie folgt beschrieben werden: Form, Farbe, Größe, genaue Lokalisation, Randbereich, ggf. Tiefe. Nach dieser Beschreibung auf dem Körperschema z. B. auf dem Dokumentationsbogen erfolgt die fotografische Dokumentation. Dazu befragt man die Betroffenen, ob sie damit einverstanden sind und lässt sich dies ggf. auch unterschreiben. Bei der Fotodokumentation ist zuerst eine Übersichtsaufnahme von der Körperregion durchzuführen, in der sich die Verletzung befindet, danach erfolgt mit einem Maßstab eine Detailaufnahme, orthograd zur Verletzung.
Zur Spurensicherung bei sexueller Gewalt können folgende Spuren übe...