0 Vorbemerkungen zum Elften Abschnitt – § 140 a-d
Rz. 1
Die Regelversorgung des bestehenden Gesundheitssystems war bisher geprägt durch eine starre Trennung der unterschiedlichen Leistungsbereiche der ambulanten und stationären Versorgung mit den negativen Folgen, dass Leistungserbringer stärker als Einzelkämpfer denn als Teammitglieder in einem Leistungsverbund arbeiten, Patienten doppelt mit demselben Ziel untersucht und Informationen nicht rechtzeitig ausgetauscht werden, Schnittstellenprobleme mit unnötigen Kosten existieren und dadurch Belastungen für die gesetzliche Krankenversicherung und deren Patienten in Kauf genommen werden, die bis hin zu einem Verlust an Qualität und angemessener Kontinuität der Versorgung führen können. Inzwischen sind jedoch auch in der Regelversorgung verschiedenen Anläufe unternommen worden, die starre Trennung aufzubrechen, meist in der ambulanten Versorgung wie z. B. zwischen der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung oder der Einbindung von Psychotherapeuten in besonders förderungswürdige Praxisnetze. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116 b als Teil der vertragsärztlichen Versorgung kann inzwischen sowohl durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte als auch durch nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser erbracht werden, wenn sie die entsprechenden Anforderungen und Voraussetzungen erfüllen. Auch dies dient dazu, die starre Trennung aufzuweichen.
Auch die nach §§ 73 a (Strukturverträge), 73c (Besondere ambulante ärztliche Versorgung ) und 140a (Intergrierte Versorgung) bestehenden Möglichkeiten der Krankenkassen, Einzelverträge mit ärztlichen Leistungserbringern abzuschließen, haben dazu beigetragen, die starre Trennung aufzubrechen bzw. durch vernetzte Strukturen die Versorgung der Versicherten, insbesondere für chronisch Kranke und multimorbide Patientinnen und Patienten zu verbessern. Allerdings waren die bisherigen Möglichkeiten systematisch nur wenig geordnet. Während die eine Krankenkasse den Selektivvertrag als Strukturvertrag gestaltete, bezeichneten andere Krankenkassen den ähnlichen Selektivvertrag als Vertrag nach § 73 c oder auch als integrierte Versorgung nach § 140 a.
Rz. 2
Diese Unklarheiten bei der Zuordnung der Einzelverträge veranlassten den Gesetzgeber, mit Wirkung zum 23.7.2015 den Elften Abschnitt des Vierten Kapitels neu zu gestalten unter der Überschrift "Sonstige Beziehungen zu den Leistungserbringern". Mit "Sonstige Beziehungen" sind die Rechtsbeziehungen gemeint, die sich zwar auf dieselben, im Vierten Kapitel genannten Leistungserbringer und nicht auf andere Gesundheitsberufe wie z. B. Nichtvertragsärzte, nicht nach § 108 zugelassene Krankenhäuser oder Heilpraktikerbeziehen, aber über die Rechtsbeziehungen der Abschnitte 1 bis 10 des Vierten Kapitels hinausgehen. Im allgemein verwendeten Begriff "Leistungserbringer" kommt ferner zum Ausdruck, dass sich diese Rechtsbeziehungen nicht nur auf die ärztlichen/zahnärztlichen Leistungserbringer beziehen, sondern z. B. auch zugelassene Krankenhäuser, stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, ambulante Rehabilitationseinrichtungen, zugelassene Pflegeeinrichtungen, pharmazeutische Unternehmer oder Hersteller von Medizinprodukten einbinden. Mit Wirkung zum 23.7.2015 sind im neugefassten § 140 a Strukturverträge, Verträge über die besondere Versorgung und Verträge über eine integrierte Versorgung unter der Überschrift "Besondere Versorgung"zusammengeführt worden. Die Vorschrift ist umfassend gestaltet, sodass die bisherigen §§ 140 b bis 140d, die sich auf die intergrierte Versorgung bezogen haben, entfallen konnten. Mit der Neustrukturierung, die bis auf die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73 b alle anderen Vertragsinhalte der Selektivverträge der §§ 73 a, 73c und 140a in einer Vorschrift zusammengefasst hat, sind nach der Gesetzesbegründung
- die Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen erweitert,
- bürokratische Hemmnisse beseitigt und
- die gesetzten Normen von Programmsätzen ohne Regelungsgehalt befreit und somit verständlicher gefasst worden.
So ist das in § 73 a (a. F.) vorgeschriebene Satzungserfordernis für einen Strukturvertrag nicht in die neue Vorschrift "Besondere Versorgung" übernommen worden, weil sich die bisher in der Satzung enthaltenen Einzelheiten ohne Weiteres im Vertrag selbst oder in der Teilnahmeerklärung regeln lassen. Die Klarstellung im aufgehobenen § 73 a Abs. 3c Satz 2, dass "kein Anspruch auf Vertragsabschluss besteht", ist ebenfalls nicht übernommen worden, weil dies sich bereits aus dem allgemein geltenden Prinzip der Vertragsfreiheit ergibt. Wenn nämlich die Krankenkasse von der nur ihr zustehenden Kann-Bestimmung, den Strukturvertrag abzuschließen, keinen Gebrauch macht, kommt der Vertrag nicht zustande. Bis auf den Ausnahmefall, dass die Krankenkasse ihre Vertragsfreiheit unter Umständen mißbräuchlich ausgeübt hat, besteht keine Möglichkeit, durch eine Klage den Vertragsabschluss zu erzwingen. Auch die Verpflichtung zur öffentlichen Ausschre...