Rz. 35
Mit der neu gefassten Einleitung des Satzes 2 wird das Merkmal der Unverzüglichkeit für die Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung auf einen Zeitraum von 2 Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht konkretisiert und beschränkt. Als Rechtsfolge der Fristversäumnis wird (weiterhin) die Meldepflicht bei der letzten Krankenkasse der Versicherung oder bei einer vom Meldepflichtigen gewählten Krankenkasse angeordnet. Die Bedeutung dieser Frist zur Vorlage einer Mitgliedschaftsbescheinigung für die Ausübung des Wahlrechts und dessen Wirksamkeit ist nach der Gesetzesänderung unklar. Ein rechtssystematischer Zusammenhang der Vorlagepflicht einer Mitgliedsbescheinigung mit der Ausübung von Wahlrechten besteht nämlich nicht und ist auch nicht mit der Änderung der Wahlrechte hergestellt worden. Eine Begründung für die Änderung und das Abstellen auf eine vorzulegende Mitgliedsbescheinigung ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen.
Rz. 36
Bei wörtlicher Auslegung könnte die Regelung des Satzes 2 dahingehend verstanden werden, dass die fristgerechte Vorlage der Bescheinigung Wirksamkeitsvoraussetzung für das Krankenkassenwahlrecht und den Beginn der Zuständigkeit der neu gewählten Krankenkasse für die Versicherungspflicht ist. Dies würde aber bedeuten, dass die Wahl oder der Wechsel der Krankenkasse sich nicht mehr nur zwischen den Krankenkassen und dem Mitglied aufgrund wirksamer Wahlrechtsausübung, Kündigung und Wirksamwerden der Kündigung vollzieht, sondern zusätzlich von der fristgerechten Vorlage der Mitgliedsbescheinigung bei dem Meldepflichtigen abhinge. Damit wäre der Kontrahierungszwang (Abs. 1 Satz 2) und das Recht zur freien Wahl einer Krankenkasse relativiert. Für eine solche Absicht der Beteiligung der meldepflichtigen Stelle für die Wirksamkeit der Krankenkassenwahl oder des -wechsels lassen Abs. 4 und die Gesetzesbegründung jedoch schon keinen Anhalt erkennen. Der Arbeitgeber oder sonst Meldepflichtige muss seine Meldungen an die zuständige Krankenkasse abgeben (vgl. § 28i SGB IV), die gerade durch das wirksam ausgeübte Wahlrecht bestimmt wird. Weder die Vorlage der Mitgliedsbescheinigung selbst noch die Einhaltung der Frist von 2 Wochen können daher für die Frage der Wirksamkeit der Wahlrechtsausübung oder die Zuständigkeit Bedeutung haben.
Rz. 37
Auch die für den Fall einer nicht fristgerechten Vorlage der Mitgliedsbescheinigung angeordneten Rechtsfolgen gehen bei der jetzigen Rechtslage fehl. Wurde und konnte eine andere Krankenkasse gar nicht gewählt werden oder wurde der vorherigen Kasse nicht rechtzeitig oder wirksam gekündigt, besteht die Mitgliedschaft auch bei einer neuen Versicherungspflicht weiter, so dass diese Krankenkasse auch für eine neue Versicherungspflicht zuständig ist. Wurde eine Krankenkasse dagegen wirksam erstmals oder neu gewählt, besteht bei dieser spätestens bei Eintritt einer Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft (Kontrahierungszwang). Andererseits kann dagegen eine auch fristgerecht vorgelegte Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse, die unter Verstoß gegen Bindungs- und Kündigungsfristen ausgestellt wurde, nicht die bindende Zuständigkeit dieser Krankenkasse begründen, weil dann die Beachtung und Einhaltung der Vorschriften für den zulässigen Krankenkassenwechsel bedeutungslos wären. Streitigkeiten der Krankenkassen um Mitgliedschaften im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der Ausstellung, dem Vorliegen einer Mitgliedsbescheinigung an sich oder der fristgemäßen Vorlage, wie sie vor dem GRG zwischen gesetzlich zuständigen Krankenkassen und Ersatzkassen auch aus diesem Grund nach §§ 517 ff. RVO entstanden waren, sind bei der unklaren Fassung der Vorschrift daher vorhersehbar.