0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 142, Art. 46 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 eingefügt und ist seither nicht geändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Krankenkassen haben die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben dem Grunde nach selbst und in eigener Verantwortung zu erfüllen und durchzuführen (§ 30 und § 29 Abs. 3 SGB IV und Kom. dort). Die Regelung knüpft daran an, dass Krankenkassen auch bereits vor dem 1.4.2007 (vgl. Dortants/v. Hansemann, NZS 1999 S. 542 und Sichert, NZS 2013 S. 129) Teile ihrer Aufgaben durch Dritte haben erledigen lassen, z. B. die den Krankenkassen obliegende Pflicht zur Ausstellung von Krankenversicherungskarten nach § 291 Abs. 1 Satz 1, die Mitgliederwerbung oder die Bildung eigenständiger Rechenzentren. Insoweit enthält die Vorschrift nunmehr einerseits eine ausdrückliche Ermächtigung, Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder Dritte wahrnehmen zu lassen, andererseits aber auch eine Begrenzung für die Aufgabenübertragen, denn es werden für die Zulässigkeit der Aufgabenübertragung bestimmte Voraussetzungen festgelegt. Die Vorschrift enthält damit auch die z. B. in § 97 SGB X vorausgesetzte Zulässigkeit für die Übertragung von an sich krankenkasseneigenen Aufgaben. Die Neuregelung ist in BT-Drs. 16/3100 S. 159 wie folgt begründet worden: "Ist es zweckmäßig, dürfen Krankenkassen mit der Erledigung von Aufgaben auch Dritte betrauen, Kernaufgaben zur Erfüllung der Versorgungsansprüche der Versicherten dürfen nicht übertragen werden. Die Krankenkasse hat besonders darauf zu achten, dass der Auftragsinhalt keine ihr obliegende Kernaufgaben betrifft. Ein Auftrag an Dritte kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es darum geht, dass sich die betroffene Krankenkasse eine wettbewerbsfähige Verhandlungsposition verschaffen will." Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist zur Klarstellung (BT-Drs. 16/4247 S. 51) die Aufgabenwahrnehmung durch Arbeitsgemeinschaften und der Verweis auf § 97 SGB X in den Gesetzentwurf eingefügt worden.
Rz. 3
Nach § 26 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) gilt die Vorschrift ab dem 1.1.2013 entsprechend auch für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), die als bundesunmittelbarer Träger der Sozialversicherung unter dem Namen "landwirtschaftliche Krankenkasse" die Krankenversicherung durchführt. Die frühere Regelung in § 18 Abs. 1 KVLG 1989, der die Übertragung laufender Verwaltungsaufgaben und auch anderer Aufgaben auf andere zuließ, ist im Zusammenhang mit der Errichtung der SVLFG aufgehoben worden.
2 Rechtspraxis
2.1 Aufgabenübertragung (Satz 1)
Rz. 4
Mit Satz 1 wird den Krankenkassen die Befugnis eingeräumt, eigentlich ihr selbst als Sozialversicherungsträger obliegende Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder Dritte wahrnehmen zu lassen. Unter Arbeitsgemeinschaften sind Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen und/oder Personen zu verstehen, die gemeinsam einen bestimmten Aufgabenbereich (Zwecksetzung) übernehmen und dazu anteilig Arbeitskräfte, Geräte und Kapital in die Arbeitsgemeinschaft einbringen. Zivilrechtlich sind Arbeitsgemeinschaften, unabhängig davon wer daran beteiligt ist, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§§ 704 ff. BGB). Arbeitsgemeinschaften sind dabei solche von Versicherungsträgern, auch solche, an denen die Krankenkasse selbst beteiligt ist. Mit Dritten sind Privatpersonen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen gemeint (so auch Bloch in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 197b Rz. 3); auch solche, an denen die Krankenkasse beteiligt ist, wobei diesen gerade eine, von der Krankenkasse zu trennende, eigenständige Rechtspersönlichkeit zukommt und zukommen muss. Soweit in der Vorschrift darauf abgestellt wird, dass es zur Wahrnehmung von Aufgaben deren Zustimmung bedarf, beinhaltet dies an sich eine Selbstverständlichkeit, denn ein Auftrag stellt nach §§ 662 bis 674 BGB ein Vertragsverhältnis dar, das der Annahme bedarf, wobei es sich bei der Beauftragung mit der Wahrnehmung von Aufgaben für eine Krankenkasse insgesamt allerdings eher um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB handeln wird. Auch die Übertragung einer Aufgabe an eine Arbeitsgemeinschaft setzt notwendig deren Zustimmung voraus, denn eine hoheitliche Zuweisung an diese kommt nicht in Betracht. Auch § 88 Abs. 1 SGB X (vgl. Komm. dort) verlangt ausdrücklich für die Aufgabenwahrnehmung durch andere Leistungsträger die Zustimmung des Beauftragten.
Rz. 5
Mit den Krankenkassen obliegenden Aufgaben, die dem Grunde nach durch Arbeitsgemeinschaften oder Dritte wahrgenommen werden dürfen, ist vom Grundsatz her das ganze Spektrum der Aufgaben und Tätigkeiten als Sozialversicherungsträger und Körperschaft des öffentlichen Rechts angesprochen, also von der Tätigkeit der Leistungsbewilligung und -erbringung, einschließlich des Abschlusses der dafür erforderlichen Verträge, der Selbst- und Ei...