0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. § 353 regelt die Einzelheiten zur Einwilligung der Versicherten in den Zugriff auf die elektronische Patientenakte.
Rz. 1a
Art. 1 Nr. 53 des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) v. 22.3.2024 (BGBl. I Nr. 101) hat mit Wirkung zum 15.1.2025 die Überschrift geändert sowie die Vorschrift neu gefasst und auf 6 Absätze erweitert. Die Vorschrift regelt das Nähere zu den Rechten der Versicherten, dem Zugriff auf Daten der elektronischen Patientenakte entweder über die Benutzeroberfläche eines Endgeräts der Versicherten oder in der Umgebung der Zugriffsberechtigten zu widersprechen oder in den Zugriff einzuwilligen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Bevor Leistungserbringer oder andere zugriffsberechtigte Personen auf die Daten in der elektronischen Patientenakte zugreifen, ist eine eindeutige Einwilligung des Versicherten erforderlich (§ 352). Die Einwilligung wird über ein geeignetes Endgerät des Versicherten (z. B. Smartphone und PIN-Eingabe) oder die dezentrale Infrastruktur des Leistungserbringers (z. B. Praxisverwaltungssystem) gegeben. Dabei kann der Versicherte die Freigabe bestimmter Dokumente steuern.
Rz. 2a
Vom 15.1.2025 an ist ein Zugriff Dritter nur möglich, wenn der Versicherte dem nicht zuvor widersprochen oder in den Zugriff eingewilligt hat. Die Mehrzahl der Zugriffsberechtigten nach § 352 erhält nach § 339 Abs. 1 ein Zugriffsrecht auf Daten der elektronischen Patientenakte, soweit der Versicherte dem nicht widersprochen hat ("Opt out").
2 Rechtspraxis
2.1 Endgerät des Versicherten (Abs. 1 in der bis zum 14.1.2025 geltenden Fassung)
Rz. 3
Bevor Leistungserbringer oder andere zugriffsberechtigte Personen (§ 352) auf Daten der elektronischen Patientenakte zugreifen können, hat der Versicherte in den Zugriff einzuwilligen (Satz 1). Hierzu ist eine eindeutige bestätigende Handlung des Versicherten durch eine technische Zugriffsfreigabe erforderlich (Satz 2). Der Versicherte nutzt dazu ein geeignetes Endgerät (z. B. Smartphone). Der Versicherte kann den Zugriff feingranular steuern und sowohl spezifische Dokumente und Datensätze als auch Gruppen von Dokumenten und Datensätzen freigeben. Eine explizite Einwilligung (Papierdokument mit Unterschrift) ist nicht erforderlich. Die Einwilligung kann jederzeit formlos und ohne Angabe von Gründen gegenüber demjenigen widerrufen werden, dem die Einwilligung ursprünglich erteilt wurde.
Rz. 3a
Nach überzeugender Ansicht ist es ausreichend, dass der Versicherte zur Bestätigung ein entsprechendes Häkchen setzt oder ein Kontrollkästchen aktiviert. Dagegen reicht es nicht aus, wenn der Versicherte "mit einem Klick" eine Gesamtfreigabe erteilt. Notwendig ist es demnach, dass der Versicherte eine individuelle Auswahl der Dokumente und Datensätze bzw. Gruppen von Dokumenten oder Datensätzen trifft (Buchholtz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 353 Rz. 9).
2.2 Widerspruch in Anwendungsfällen (Abs. 1 in der ab 15.1.2025 geltenden Fassung)
Rz. 3b
Versicherte können der Verarbeitung von Daten, die gemäß § 342 Abs. 2a, 2b und 2c als Anwendungsfälle in der elektronischen Patientenakte verarbeitet werden können (z. B. Medikationsdaten), insgesamt widersprechen (Satz 1). Der Widerspruch erfolgt selbstbestimmt und eigenverantwortlich über die Benutzeroberfläche eines geeigneten Endgeräts oder durch Erklärung gegenüber der Ombudsstelle nach § 342a (Satz 2).
Rz. 3c
Versicherte können dem Zugriff auf Daten (§ 342 Abs. 2a, 2b und 2c) durch einzelne Zugriffsberechtigte (§ 352 Satz 1 Nr. 1 bis 15 und 19) widersprechen (Satz 3). In diesem Fall kann nur über die Benutzeroberfläche eines geeigneten Endgeräts widersprochen werden (Satz 4). Die Einwilligung ist auch in der Umgebung der Zugriffsberechtigten mittels der elektronischen Gesundheitskarte oder der digitalen Identität der Versicherten (§ 291 Abs. 8 Satz 1) möglich.
Rz. 3d
Versicherte können ihren Widerspruch jederzeit widerrufen (Satz 5).
2.3 Infrastruktur des Leistungserbringers (Abs. 2 in der bis 14.1.2025 geltenden Fassung)
Rz. 4
Der Versicherte kann in den Zugriff einwilligen, indem er die dezentrale Infrastruktur des Leistungserbringers (z. B. Praxisverwaltungssystem des Arztes) nutzt (Satz 1). Wird die dezentrale Infrastruktur genutzt, ist lediglich eine mittelgranulare Zugriffsbeschränkung auf Kategorien von Dokumenten und Datensätzen möglich. Der Zugriff wird durch eine eindeutige bestätigende Handlung durch technische Zugriffsfreigabe ermöglicht (Verwendung der Gesundheitskarte und Eingabe einer PIN durch den Versicherten; Satz 2 Nr. 1). Vorher ist der Versicherte durch den Leistungserbringer zu informieren, dass die feingranulare Beschränkung der Zugriffsrechte auf spezifische Dokumente und Datensätze nicht möglich ist. In der Information ist auf die Be...